Die Tempomacher – von der Kunst, für jemand anderen an den Start zu gehen
Ohne sie wären Weltrekorde und Bestzeiten schwer möglich und mancher Erststarter würde es wahrscheinlich schwerlich ins Ziel schaffen: Tempomacher führen die Elite zum Weltrekord – und Ambitionierte zu neuen Bestzeiten. Sie helfen beim Durchhalten, sie bremsen, motivieren, schenken Orientierung. Tempomacher sind Antreiber und Bremsläufer zugleich. Viele Teilnehmer würden ohne ihre Hilfe von Adrenalin gepusht viel zu schnell losrennen und irgendwann aufgeben müssen.
Was machen Zugläufer?
Kurzgesagt: Nach ihnen können sowohl Bestzeitjäger als auch Erststarter ihre Uhr stellen und darauf vertrauen, dass sie ihr gesetztes Ziel erreichen. Doch es ist kein einfacher Job: Auch Zugläufer sind nur Menschen, werden auch von Lust und Laune, vom „Mann mit dem Hammer“ und anderen Herausforderungen eines Langstreckenlaufs beeinflusst. Nicht selten schaffen es die Tempomacher nicht, konstant und in der richtigen Pace zu bleiben. Es ist keine einfache Aufgabe. Und man muss selbstlos sein – der Reiz, doch sein eigenes Ding zu machen, ist manchmal verlockend, vor allem, wenn man ganz vorne ist…
Tempomacher werden im Mittel- und Langstreckenlauf eingesetzt, um nicht für ihren eigenen Wettkampferfolg zu kämpfen, sondern eine festgelegte Renngeschwindigkeit zu sorgen, die einem oder mehreren Teilnehmern hilfreich ist. Für die Spitzenläufer werden sogenannte „Hasen“ gerne engagiert, um das Rennen eine Zeit lang anzuführen, damit die Schnellsten sich an sie halten und so möglichst schnelle Zielzeiten erreicht werden – im Idealfall natürlich Rekorde.
Elite-Team Filimon Abraham, Thea Heim, Hendrik Pfeiffer bei der Pressekonferenz vor dem Marathon
Einzelpacer Frank Schauer war beim Mainova Frankfurt Marathon als Tempomacher für die HOKA-Athletin Thea Heim am Start. Thea Heim sagte vor dem Rennen: „Ich bin keine Profiläuferin sondern arbeite Full-Time als IT-Spezialistin. Nur Laufen ist nicht mein Ding. Ich habe das bewusst so entschieden. Die Kombination Beruf und Laufen ist gut für mich. Mein Plan ist, am Sonntag die erste Hälfte in 77 Minuten zu laufen und dann möglichst etwas schneller zu werden, so dass vielleicht 2:33 Stunden rauskommen. Mittelfristig träume ich von einer Zeit unter 2:30 – aber Schritt für Schritt.“
Frank könnte den Marathon in 2:16 Stunden finishen, als Pacemaker für Thea hat er einen zeitlichen Puffer und trotzdem verspürt er einen gewissen Druck. Wir trafen ihn am Samstag vor dem Raceday beim HOKA-Athletentalk in Frankfurt: „Es ist gar nicht so leicht, immer die Konstanz zu halten und nicht mal 3 bis 4 Sekunden schneller zu sein – denn dann würde es für Thea nicht mehr passen!“ Bis zum Halbmarathon läuft alles wie geplant, doch nach 30 Km muss Thea den Lauf abbrechen. So kann es eben auch gehen.
Es gibt Einzelpacer und Gruppenpacer. Wie der Name schon verrät, kümmern sich Einzelpacer um einen Athleten, Gruppenpacer dagegen sind für eine Zielmarke verantwortlich und meist sammelt sich vor dem Start eine ganze Traube hinter dem jeweiligen Zugläufer.
Bei großen Straßenläufen wie beim Mainova Frankfurt Marathon werden gleich mehrere Gruppenpacer für die verschiedenen Zielzeiten eingesetzt, die in möglichst gleichbleibendem Tempo die Strecke bewältigen, damit sich Teilnehmer an sie halten können. Beim Frankfurt Marathon gibt es 24 Zugläufer, die schon von weitem an ihren Shirts und den Fahnen zu erkennen sind. Sie sind Freund und Helfer, Motivator und Taktgeber. Gerade wenn „der Mann mit dem Hammer“ auftaucht, sind sie Gold wert. Sie geben die nötige Kraft, treiben an, helfen als Taktgeber in gleichmäßigem Tempo nicht zu schnell oder zu langsam unterwegs zu sein. Wir haben nach dem Mainova Frankfurt Marathon mit einem solchen Tempomacher geredet.
„Ich helfe Läufern, die den Marathon unter 3 Stunden finishen wollen!“
Jens Miesen liebt es, Marathons zu laufen – vor allem in Frankfurt. Der Zieleinlauf in die Festhalle, das Dröhnen der Zuschauer sind für ihn einzigartig, darauf freut er sich das ganze Jahr. Doch Jens geht nicht an den Start, um seine Bestzeit zu toppen. Er ist derjenige, der anderen Marathonis hilft, ihren Traum zu verwirklichen. Jens ist der Zugläufer für die Zeit von 2:59 Stunden und erreicht das Ziel in diesem Jahr mit einer Punktlandung von 2:58:26. Wie schafft er das, was treibt ihn an und was macht einen guten Zugläufer aus? Er erzählt uns im Interview direkt nach dem Zieleinlauf von dem Vergnügen, ein Pacemaker zu sein:
„Es macht so viel Spaß, anderen Läufern dabei zu helfen, ihre Ziele zu erreichen!“
Wie war die Strecke?
Jens: „Ich habe mich riesig auf die Strecke gefreut. Ich konnte heute ja meinen neunten Mainova Frankfurt Marathon beenden und es hat wieder richtig Spaß gemacht endlich wieder dabei zu sein. Das tolle spätsommerliche Wetter und die vielen Menschen an der Strecke zu erleben war sensationell – aber ein bisschen Schmerzen sind auch immer dabei. Die gehören dazu. Und der Zieleinlauf in Frankfurt ist einfach unbeschreiblich, dieser Moment ist echt nicht zu toppen. Diese Atmosphäre unter der Festhallen-Kuppel ist einfach einmalig, der Applaus und die Freude der Zuschauer dröhnen nach unten wie in einem Hexenkessel. Darauf freue ich mich das ganze Jahr.“
Welche Rolle hattest du heute als Zugläufer?
Jens: „Ich wurde mit einem Kollegen als Gruppen-Zugläufer eingesetzt. Beim Mainova Frankfurt Marathon wird versucht, immer zwei Pacemaker für eine Zielzeit zu finden – falls einer ausfällt. Am Anfang folgt einem eine lange Schlange, nach der Hälfte kristallisiert sich eine Gruppe raus, man hilft sich gegenseitig.“
Merkst du schon früh, wer das Tempo mithalten kann?
Jens: „Viele Läufer laufen zu schnell los. Wenn die Leute nach der Hälfte schon sehr an ihren Grenzen sind, merke ich oft, dass sie es nach hinten raus nicht schaffen. Sie sind dann meist auf einmal weg und man weiß nicht genau warum. Andere überraschen dich und halten immer weiter durch. Am Schluss bleiben wenige übrig, eine kleine Gruppe von durchschnittlich 10 Läufern. Viele von ihnen bedanken sich bei mir nach dem Rennen – das gibt einem ein schönes Gefühl.“
Wie kam es, dass du zum Pacer wurdest?
Jens: „Das erste Mal habe ich mich aus Spaß gemeldet, als ich einen Marathon nicht auf Bestzeit laufen wollte. Die Veranstalter sind immer auf der Suche – gerade für die 3 Stunden Zeit ist es schwierig zu jemand zu finden. Für mich war es eine gebotene Chance anderen etwas Gutes zu tun und selbst mitlaufen zu können – eine Win-win Situation.
Meine persönliche Bestzeit ist knapp unter 2:38 Stunden, die ich vor vier Jahren hier beim Mainova Frankfurt Marathon erreichen konnte. Doch da ich zwei Jahre lang nicht voll trainiert habe und daher auch nicht auf meine eigene Bestzeit laufen wollte, aber trotzdem unbedingt dabei sein wollte mit einem Ziel vor Augen, war der Start als Pacemaker perfekt: Es ist schön, andere Läufer dabei zu unterstützen, ihre Ziele zu erreichen. Ihre Freude zu sehen. Ein Teil davon zu sein.“
Wie kann ich mir die Aufgabe als Zugläufer genau vorstellen – schaust du die ganze Strecke auf die Uhr?
Jens: „Gerade am Anfang und bis zur ersten Hälfte ist es ganz wichtig, konstant auf die Uhr zu schauen, um sehr schnell ins richtige Tempo zu kommen und bloß nicht 1 bis 2 Minuten zu schnell zu sein. Wenn ich mich an das Tempo gewöhnt habe und ich im Schritt bin, kann ich dieses Tempo konstant halten. Hintenraus kann auch ich nicht mehr permanent auf die Uhr schauen und es steuern – da versuche ich nur noch gleichmäßig zu laufen. Wundersamer Weise stimmt das Tempo fast immer auf die Sekunde, wie auch dieses Jahr mit einer Zeit von 2:58:26 Stunden.“
Muss man einen bestimmten Charakter haben als Zugläufer, sich zurücknehmen, um in den Diensten der anderen zu stehen?
Jens: „Es ist schwer zu sagen. Man muss einfach der Typ dafür sein. Manche wollen auch nicht die Fahne auf dem Rücken haben und eben nur für sich laufen. Bei mir hat sich das so ergeben: Ein Ziel haben und für andere zu laufen. Man muss es einfach mal ausprobieren und sich bei einem Marathon bewerben. Wenn man ein offener Typ ist und gerne mit anderen Menschen zu tun hat, ist man richtig.
Ich finde es so schön, die Dankbarkeit am Ende des Rennens zu erleben. Dazu kommt das Erfolgserlebnis es selbst geschafft zu haben. Und ich freue mich das ganze Jahr auf die Frankfurter-Strecke, nach 42 km den Einlauf in die Festhalle zu erleben, das ist jedes Mal Gänsehaut pur.“
Gab es dieses Jahr einen schwierigen Moment auf der Strecke?
Jens: „Den gibt es eigentlich immer. Ich hatte vorab Probleme mit meinem Muskel und es war gar nicht so sicher, ob ich starten kann. Ich bin losgelaufen und dachte: 20 bis 30 km gehen immer, und was danach passiert kann man nie sagen. Ab Kilometer 20 hat der Muskel wirklich geschmerzt und ich dachte, ich muss abbrechen. Von da an habe ich nur noch von Kilometer zu Kilometer gedacht, aber durch das Adrenalin und die Endorphine ging es dann irgendwie.“
Seid ihr deswegen zu zweit für eine Pace?
Jens: „Ja, falls einer krank wird oder es einfach doch nicht mehr so gut läuft. So erging es heute dem zweiten Pacer für 2:59 Stunden, ich habe ihn nicht mehr gesehen. Er musste leider abbrechen.“
Vielen Dank für das Interview und gute Erholung für deine Muskeln!
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Registrierung für 2023 ist bereits eröffnet: Run the Skyline!
Wer am 29.10.2023 dabei sein möchte, kann sich jetzt bereits anmelden:
Er zählt zu den „Grünen Marathons“ und wurde bereits im Jahr 2014 durch AIMS, den Verband der internationalen Straßenlaufveranstalter, mit dem „Green Award“ für den weltweit umweltfreundlichsten Marathon ausgezeichnet. Jedes Jahr wird er ein bisschen grüner – mit den zahlreichen umwelt- und klimafreundlichen Maßnahmen ist der Mainova Frankfurt Marathon Vorreiter unter den Laufveranstaltungen.
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