Im Schatten des sensationellen Weltrekords

Julia Huber läuft den Berlin-Marathon für ihren verstorbenen Vater

Ein emotionaler Erlebnisbericht vom Berlin Marathon 2022

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(Foto links: Eliud Kipchoge, Sieger BMW Berlin-Marathon 2022, SCC EVENTS/camera4_Tilo Wiedensohler)

Julia: „Laufen gibt Kraft – ich laufe für meinen verstorbenen Vater!“

Berlin-Marathon 2022

Während der Kenianer Eliud Kipchoge beim 48. BMW Berlin-Marathon seine eigene Bestzeit um 30 Sekunden verbessert und einen neuen Weltrekord von 2:01:09 Stunden aufstellt, läuft eine zweifache Mutter ganz sicher nicht das schnellste, aber das wahrscheinlich emotionalste Rennen ihres Lebens: Julia Huber will noch einmal da laufen, wo alles angefangen hat – für ihren verstorbenen Vater.

Laufen gibt Kraft nach Schicksalsschlägen

Die begeisterte Läuferin und Mutter von zwei Kindern hat schon einige harte Schicksalsschläge erlebt: Vor 10 Jahren starb ihr Mann. Vor 8 Jahren schließt auch ihr Vater die Augen für immer. Das Laufen gibt ihr in der Zeit danach Kraft, hilft ihr mit den Schmerzen und dem Verlust umzugehen, weiterzumachen, nach vorne zu schauen.

Julia würde in diesem Jahr sich so gerne einen Traum erfüllen und noch einmal in Berlin an den Start gehen. Es ist der 25. September – genau das gleiche Datum wie vor 10 Jahren bei ihrer Premiere. Ihr Vater wäre in diesem Jahr 80 Jahre alt geworden. Für ihn will sie sich noch einmal der Herausforderung stellen. Aber es scheint unmöglich, noch einen Startplatz zu kriegen…

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Julias Vater beim Berlin-Marathon 2005

Der Mann ist „schuld“

Julia Huber läuft schon so lange, dass sie sich gar nicht mehr erinnern kann, wann sie damit angefangen hat. 20 Jahre sind es bestimmt schon her. Aber sie weiß noch genau, wie sie zum Laufen kam und wer „Schuld daran“ war: Ihr Mann.

Der verbrachte seine Zeit am liebsten bei verrückten Touren auf dem Rennrad, so dass Julia für sich und ihren Hund eine Beschäftigung für die leeren Wochenenden suchen musste. Sie fing an zu laufen, eine Leidenschaft, die ein anderer wichtiger Mann in ihrem Leben mit ihr teilte: ihr Vater. Zusammen mit ihm erlebte Julia ihren ersten Marathon in Berlin.

Ihr Mann war bis zu seinem Tod bei vielen Rennevents als Supporter dabei. Sie haben zwei Kinder, für Julia die „tollsten Kinder der Welt“. Als er stirbt, rennt Julia, um die Emotionen abzufedern, abzubauen – Laufen gibt Kraft. Und sie ist dabeigeblieben.

„Laufen ist so viel mehr als nur Sport, es hat mich mit ihm verbunden, hat mir so viele wundervolle Freunde beschert und mich eine ganz tolle Community finden lassen. Es geht gar nicht so sehr um die Zeit, es geht vor allem um Spaß an der Bewegung, an Zielen und sich gegenseitig zu ermutigen!“ erklärt die Schuh-Expertin, die in einem großen Schuhunternehmen Schuhkollektionen für Kinder zusammenstellt, die dann in den Läden stehen. Während der Corona-Krise hat sie noch öfter die Laufschuhe geschnürt. Und es haben sich einige tolle Kontakte ergeben.

Laufen gibt Kraft Teilnehmerfeld Berlin Marathon

Erinnerungen an den ersten Marathon

Ihre Erinnerungen an den allerersten Marathon sind noch frisch: „Das war irgendwie magisch, am 25. September in Berlin 2005. Es war ja mein erster Marathon, ich bin zusammen mit meinem Papa an den Start gegangen. Einem Tag nach seinem Geburtstag, 6 Tage nach dem plötzlichen Tod eines Freundes. Es war ein Lauf voller Tränen, Glück, Freude und Stolz. Und da ich recht zügig unterwegs war, ließ mein Vater mich irgendwann laufen,“ erinnert sich Julia.

In diesem Jahr wäre ihr Vater 80 Jahre alt geworden. Noch ein Verlust, der sie schmerzt: „Er ist vor 8 Jahren gestorben und fehlt so sehr.“ Julia wollte so gerne noch einmal in Berlin laufen – dort, wo alles angefangen hat: „Es wäre wieder einen Tag nach Pa‘s Geburtstag gewesen, sein 80ster. Aber die Startplätze werden nur noch verlost und ich habe gefühlt keine Chance, dabei zu sein.“

Ein kleines Wunder

Dann passiert ein kleines Wunder. Eine Bekannte schreibt uns als RUNTiMES-Redaktion, dass sie noch einen Platz für Berlin zu vergeben hat, ob ich jemanden kennen würde, der kurzfristig Lust hätte, sich verbindlich anzumelden?

Es ist vier Wochen vor dem Marathon. Ein Freund schickt mir Julias Kontakt. Und so kann Julia unverhofft doch noch ihren Traum verwirklichen. Sie ist viel gelaufen in diesem Jahr, unter anderem beim Hamburg Marathon. Aber hier will sie es einfach nur ins Ziel schaffen: „Ich fühle mich großartig. Das ist echt eine Fügung. Ich habe sofort zugesagt. Berlin ist Berlin, ein unbeschreiblicher Marathon. Und ich werde für meinen Papa laufen!“

Emotions-Karussell beim Marathon in Berlin

Am Abend vor dem Rennen trifft Julia sich mit Freunden vom „Rudeltreffen #kommandofischfrikadelle“. Die Aufregung liegt spürbar in der Luft. An Schlaf ist kaum zu denken.

Auf den ersten 10 Kilometern läuft alles rund, sie hat keine Stunde dafür gebraucht und fühlt sich frisch. Auch nach der Hälfte der Strecke fühlt sich Julia noch ganz passabel. Danach verliert sie ihren Rhythmus und wird ihn bis zum Ende auch nicht wirklich wiederfinden. Sie denkt übers Aufgeben nach, an ihre Zielzeit von 4:30 Stunden, an ihren Vater. Sie schickt ein Stoßgebet, hofft, dass er irgendetwas macht und ihr hilft.

Drei Minuten später läuft ihr Ramon über den Weg. Sie war sich sicher, ihn am Vorabend beim „Rudeltreffen“ gesehen zu haben und tippt ihn an. Ramon erkennt sie wieder, beide sind erleichtert, ein „bekanntes Gesicht“ in den Menschenmassen gefunden zu haben und so laufen sie gemeinsam weiter.

Julias Zielzeit ist jetzt egal. Ramon hat „Hüfte“ und Julia keinen Rhythmus. Also überwinden sie die letzten 7 Kilometer spazierend ins Ziel, quatschen, lachen, saugen die grandiose Stimmung in sich auf. Im Ziel kommen die Tränen. Laufen verbindet. Ramon darf sich jetzt ein Marathoni nennen und Julia hat ihre Herzensmission gemeistert.

Apropos Herz: Nach dem Zieleinlauf gibt es nun wieder eine liebevolle Begrüßung. Julia ist seit 1,5 Jahren wieder glücklich liiert und kann diesen Meilenstein mit ihrem Freund teilen, der sie in all ihren verrückten Laufideen unterstützt und zu den Rennen begleitet.

Laufen gibt Kraft Urkunde und Medaille Berlin Marathon 2022

Was macht den Berlin-Marathon so besonders?

Julia muss nicht lange darüber nachdenken, was ihr an Deutschlands Teilnehmerstärksten Laufveranstaltung so gefällt: „Berlin ist einfach Berlin. Allein die Masse an Startern ist so beeindruckend, zusammen mit 45.000 Läufern loszurennen. Es ist eine tolle Stadt, es gibt so viel zu sehen und du kannst das als Sightseeing-Tour angehen in jeder Geschwindigkeit. Der Support an der Strecke ist einzigartig. Die Zuschauer sorgen für eine geniale Stimmung und es gibt viele Bands die Musik machen, die einem durch Magen, Mark und Bein fährt.

Die Organisation ist unfassbar gut – schon im Vorfeld, was die Anreise mit der Bahn betrifft oder in den Messehallen, aber auch im Startbereich, der Ablauf an dem Tag. Also ich finde die Stadt und das Event einfach großartig. Muss man mal dabei sein! Und Laufen gibt Kraft.“

Laufen gibt Kraft Julia und Ramon beim Berlin Marathon 2022

Ramon und Julia beim Berlin-Marathon 2022 am Brandenburger Tor

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