Marathon Schicksale in Frankfurt
„Ich war mir sicher, dass ich nie wieder laufen werde – und heute steh ich hier und jage nach dem Weltrekord!“
5 Marathon-Geschichten, die ans Herz gehen
Die eine will mit 65 Jahren endlich das Lauf-Trauma ihres Lebens hinter sich lassen und einen Weltrekord aufstellen, eine andere ist Profi-Triathletin und will schauen, was nach der Geburt ihres zweiten Kindes überhaupt noch so geht. Ein Flüchtling will sich durch den Lauf einen Platz in der deutschen Elite verdienen, ein ehemaliger Drogensüchtiger für einen gesünderen und besseren „Lebenslauf“ sorgen und ein 82-jähriger beweisen, dass Fitness keine Altersbeschränkung kennen muss.
Beim Frankfurt Marathon treffen tausende von Schicksalen aufeinander: Profis, Bestzeitenjäger, Marathon-Erststarter, Wiedereinsteiger. Wir haben einige von ihnen vor dem Rennen getroffen.
„Laufen war das Trauma meines Lebens!“
Eine Comeback-Geschichte
Der einstigen Weltklasseläuferin Ria van Landeghem hat der schönste Sport der Welt zugleich das „Trauma ihres Lebens beschert“. Drei Jahrzehnte lang hielt sich die Belgierin vom Laufsport fern: „Ich war verbittert und verletzt. Ich habe das Laufen aufgegeben und mich stattdessen um meine zwei Kinder gekümmert, ging einer Arbeit nach und versuchte zu vergessen, was 1988 passiert war…“
Ria war mal die belgische Rekordhalterin über 42,195 Kilometer (2:28:11), gewann 1984 den Stockholm Marathon. Vor dem olympischen Marathon 1998 in Seoul war sie 30 Jahre alt und topfit. Doch dann kommt ein Schock, der ihr Leben verändert: In einer präventiv vom belgischen olympischen Komitee (BOIC) vorgenommenen Dopingprobe werden angeblich Spuren eines anabolen Steroids entdeckt.
Ria wird nach Hause geschickt und für zwei Jahre gesperrt, obwohl es in Seoul und auch später nie einen offiziellen positiven Test gegeben hat. Ria leugnete vehement den Einsatz verbotener Mittel. Aufgrund von Verfahrensfehlern wird sie wenige Monate später freigesprochen. Doch das BOIC nominierte sie dennoch zwei Jahre lang nicht für Wettkämpfe. Das Stigma der vermeintlichen Dopingsünderin verfolgt Ria, sie verliert allen Ehrgeiz und Spaß am Laufen.
29 Jahre später wird im Jahr 2017 ihre Seouler Dopingprobe abermals untersucht. Das Ergebnis: Negativ. Das BOIC entschuldigte sich öffentlich. Und Ria findet ihren Laufmut zurück: „Erst dachte ich, mit 59 Jahren bin ich doch viel zu alt, um wieder mit dem Laufen anzufangen. Aber dann habe ich mir gesagt: Nein, bin ich nicht! Ich war mir sicher, dass ich nie wieder laufen werde – und jetzt steht ich hier und jage nach dem Weltrekord!“
Vor wenigen Wochen ist Ria 65 Jahre alt geworden und hat nur ein Ziel: Noch einmal auf Weltrekordjagd zu gehen. Die Marathon-Bestmarke in ihrer Altersklasse liegt bei 3:07:51. Die Flämin hat bereits bei einigen Rennen bewiesen, dass sie diese Zeit unterbieten kann. In Frankfurt greift sie nach dem Weltrekord. Doch Ria Van Landeghem kommt nach 3:15:13 das Ziel und verfehlt so ihr Weltrekord-Ziel. Dennoch hat sie mit ihrer Geschichte unzählige Läufer beeindruckt und motiviert.
Mit 82 noch topfit – der „Marathon-Opa“
Klaus Niepelt geht in Frankfurt als ältester Teilnehmer ins Rennen, er ist 82 Jahre alt und läuft immer noch bis zu 70 Kilometer in der Woche – das Laufen gehört seit 54 Jahren zu seinem Alltag. Seinen ersten Marathon ist er 1971 in Frankfurt gelaufen. Damals handelte es sich dabei noch um einen eher urigen Waldmarathon auf einer 7-Kilometer-Runde.
Klaus hat den Frankfurt Marathon schon mindestens 20-mal erlebt, irgendwann hat er aufgehört, zu zählen. Er peilt eine Zielzeit von 4:30 Stunden an, bei seinem letzten Frankfurt Marathon vor drei Jahren kam er nach 4:17 Stunden in die Festhalle.
„Zweieinhalb Jahre ohne Rennen!“
Die Profi-Triathletin Daniela Bleymehl (34 Jahre) hat 2,5 Jahre ohne Rennen hinter sich und ist vor dem Frankfurt Marathon – bei dem sie in einer Staffel antritt – unsicher, ob das alte Niveau noch erreichbar ist und was ihr Körper zu leisten jetzt im Stande ist:
Links: Daniela Bleymehl im Gespräch mit RUNTiMES. Fotocredit: HOKA
„Ich bin eben keine 20 mehr, habe jetzt 2 Kinder, die Regeneration dauert länger, ich muss den Sport an mein Leben anpassen und nicht andersherum. Sport ist toll, steht aber bei meinen Prioritäten nicht mehr ganz oben. Jedes Lebensjahrzehnt ist anders – mit eigenen Themen. Ich will in Balance bleiben und meine Gesundheit nicht aufs Spiel setzen, schließlich hat man davon nur eine. Ich bin dankbar, sehr viel unbeschwerter als früher, gehe weniger Risiken ein,“ erzählt die sympathische fünffache Ironman-Siegerin.
Ihre Ernährungstipps für Läufer: „Frisch, regional, auf Qualität achten und die Ernährung immer an das Training anpassen, Fett und Eiweiß können ruhig etwas mehr sein. Wir müssen unsere Muskulatur gut versorgen. Gesunde Ernährung ist wichtig, sollte aber lebenstauglich sein, man kann sich da schnell sehr verkünsteln…“
„Endlich der Läufer werden, der ich immer sein wollte!“
Der 29-jährige Filimon Abraham ist 2014 nach einer acht Monate langen Flucht aus Eritrea nach Deutschland gekommen, hat eine Schreinerausbildung gemacht, die deutsche Staatsbürgerschaft bekommen und wird seit einiger Zeit von einem großen Traum angespornt: Er will endlich der Läufer werden, der er schon lange sein möchte und zur deutschen Marathonelite vordringen. Dass er ein exzellenter Bahn- und Bergläufer ist, hat der 29-Jährige längst bewiesen. „Laufen ist für mich wie ein Freund. Es ist Freude, Motivation und Hoffnung“, sagt der vielseitige, freundliche junge Mann. „Frankfurt gehört zu den weltweit wichtigsten Rennen. Ich fühle mich geehrt, hier laufen zu können und will ein richtig gutes Ergebnis erzielen“, sagte Filimon Abraham vor dem Rennen.
Das Elite-Team beim Frankfurt Marathon 2022, links Filimon Abraham, 3. von links Race-Director Jo Schindler, rechts Hendrik Pfeiffer, 2. von rechts Thea Heim
„Am Anfang habe ich keine 500 Meter geschafft!“
Marathonlauf gegen die Sucht
Auf dem Fleckenbühler Hof in Mittelhessen wird Laufen zur Suchtprävention eingesetzt. Johannes Heckmann zog vor vielen Jahren als Drogensüchtiger von Berlin hierher. „Für mich hat hier ein ganz neues Leben begonnen“, berichtet Heckmann. Ein konsequent nüchternes Leben in einer starken Gemeinschaft mit neuen Routinen und Gewohnheiten, in dem nicht zuletzt das Laufen einen neuen, großen Stellenwert eingenommen hat.
Beim Frankfurt Marathon sind einige Frauen und Männer am Start, die sich laufend gegen einen Rückfall in die Drogensucht stemmen. Einmal pro Woche treffen sie sich, um gemeinsam in der Gruppe laufen zu gehen. „Anfangs habe ich keine 500 Meter am Stück geschafft“, erinnert sich Heckmann, „ich war es gewohnt, am Tag zwei Päckchen Zigaretten zu rauchen. Aber es wurde von Mal zu Mal besser, bald habe ich auch einen gewissen Ehrgeiz entwickelt, schneller zu werden.“ Ist der Ehrgeiz erstmal geweckt, rückt auch ein Marathon irgendwann mal in greifbare Nähe…
Die Highlights des Mainova Frankfurt Marathon 2022
Der Mainova Frankfurt Marathon ist nach zweijähriger Unterbrechung als großes Lauf-Festival zurückgekehrt. Über 11.700 Marathonläufer hatten sich für die volle Distanz von 42,195 Kilometer angemeldet. Insgesamt hat das Frankfurter Laufwochenende in allen Wettbewerben 20.551 Menschen bewegt.
Für den Renndirektor Jo Schindler ein Grund zur Freude: „Beim Meldeergebnis sind wir insgesamt zurück in der alten Größe. Es ist uns gelungen, ein schönes Comeback auf die Straßen Frankfurts und in die Festhalle zu bringen. Wir hatten viele Herausforderungen zu meistern und sind sehr glücklich über diesen Tag“. Die Begeisterung erstreckte sich auch auf das Publikum: Über 300.000 Zuschauer ließen es sich nicht nehmen, bei fast spätsommerlichem Wetter am Sonntag an die Strecke zu kommen.
Mainova-Team vor dem Start des Frankfurt Marathons
Die besten Deutschen
Hendrik Pfeiffer konnte mit seinem dritten Marathon sein Erfolgsjahr als erster Deutscher im Ziel beim Mainova Frankfurt Marathon abrunden. Seine erhoffte Zeit von unter 2:10 Stunden erreichte er zwar nicht, lief aber als erster Deutscher in 2:11:28 Stunden ein. Lange schien es, als könne ihm Filimon Abraham auf den Fersen bleiben, doch dieser musste bei der 30-Kilometer-Marke leider das Rennen abbrechen.
Erster Deutscher: Hendrik Pfeiffer. Fotocredit: Mainova Frankfurt Marathon
Bei den Frauen gab es nach den Ausfällen von Laura Hottenrott kurz vor dem Rennen und Thea Heim während des Laufs (sie gab das Rennen nach 30 Kilometern auf, nachdem ihr schwindlig geworden war) eine Überraschung: Als erste Deutsche kam Corinna Coenning (vom TSV Glems) auf Rang zehn mit einer persönlichen Bestzeit von 2:40:48 ins Ziel. „Ich hätte natürlich nie erwartet, dass ich hier beste deutsche Läuferin sein würde. Ich bin super zufrieden und freue mich über meine Bestzeit“, sagte die 31-Jährige, die Vollzeit als Lehrerin für Mathematik und Sport arbeitet und erst ihren dritten Marathon gelaufen ist.
Mehr zum Frankfurt Marathon:
Die Tempomacher – von der Kunst, für jemand anderen an den Start zu gehen
Registrierung für 2023 ist bereits eröffnet: Run the Skyline!
Wer am 29.10.2023 dabei sein möchte, kann sich jetzt bereits anmelden:
Er zählt zu den „Grünen Marathons“ und wurde bereits im Jahr 2014 durch AIMS, den Verband der internationalen Straßenlaufveranstalter, mit dem „Green Award“ für den weltweit umweltfreundlichsten Marathon ausgezeichnet. Jedes Jahr wird er ein bisschen grüner – mit den zahlreichen umwelt- und klimafreundlichen Maßnahmen ist der Mainova Frankfurt Marathon Vorreiter unter den Laufveranstaltungen.
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