Ist Zuckerfasten gut für Läufer?
Warum es sich lohnt, mal einen Monat auf Zucker zu verzichten – ein Selbstexperiment
Werden wir ohne Zucker wirklich gesünder und schneller? Ich wollte schon lange mal ausprobieren, welchen Effekt ein zuckerfreies Leben hat – und habe vier Wochen lang auf Haushaltszucker verzichtet. Was das Ergebnis war und ob ich weiterempfehlen kann, liest du hier.
„Zucker macht mir Angst.“
(Lewis C. Cantley, bekannter Krebsforscher)
Was macht Zucker?
Zucker wirkt im Gehirn wie eine Droge. Das Belohnungssystem wird aktiviert, man will immer mehr davon: nach dem Essen als Abrundung, in stressigen Phasen als Seelenfutter, wenn man müde ist, traurig, wütend – Schokolade, Kuchen und anderer Süßkram ist für uns mit Trost, Freude und Genuss verbunden. Für viele von uns ist es eine Belohnung, die wir seit der Kindheit kultiviert haben.
Unsere Psyche scheint immer wieder Zucker zu brauchen. Aber was ist mit unserem Körper? Ist Zucker nur ein Energielieferant, den wir eigentlich nur in Ausnahmefällen wirklich brauchen?
Warum hilft Zuckerfasten?
Hoher dauerhafter Zuckerkonsum wird nicht nur für Fettleibigkeit und Diabetes verantwortlich gemacht, der schwankende Blutzuckerspiegel soll auch zu Kopfschmerzen, Darmproblemen, Depressionen, schlechtem Schlaf und schlechter Haut führen sowie verschiedenste Entzündungs-Krankheiten begünstigen.
Zuckerfasten soll hingegen für einen besseren Stoffwechsel sorgen, der Darmflora helfen und beim Abnehmen unterstützen. Außerdem berichten Personen, die lange auf Zucker verzichtet haben, von mehr Leistungsfähigkeit, besserer und schnellerer Regeneration, mehr Lebensfreude, Ausgeglichenheit, weniger Mundgeruch und Zahnprobleme und von einem erholsameren Schlaf.
Nach einem Monat soll die Struktur der Haut deutlich besser sein, ein höherer Fitnesslevel erreicht sein, das Herz soll ruhiger schlagen, bei manchen Kandidaten sollen sich die Cholesterinwerte und Blutzuckerwerte verbessern.
Was man über Zucker wissen sollte…
- Die Wörter Zucker und Kohlenhydrate werden oft synonym verwendet, was verwirren kann. Ich spreche in diesem Artikel aber von Haushaltszucker bzw. Kristallzucker.
- Im Fachjargon werden die Zuckersorten als Saccharide bezeichnet, es gibt sie in sehr vielen verschiedenen Formen und Größen, zum Beispiel Einfachzucker wie Fruktose und Glukose, die auch oft in unseren Gels verwendet werden.
- Zucker liefert keine Nährstoffe, dafür reichlich Kalorien
- In einem kleinen (100ml) Frucht-Smoothie befinden sich oft 4 Stück Zucker
- In einem Glas Orangensaft (Granini) stecken 7 Würfel Zucker.
- 18 Würfel Zucker bekommt man in einer kleinen Flasche Cola.
- Fruktose und Traubenzucker werden unterschiedlich verarbeitet
- Fruchtzucker galt lange als gesund, weil es ohne Insulin über Leber verarbeitet wird – heute weiß man, dass es Diabetes fördert.
- Zucker dämpft wie Alkohol unsere Stressreaktion und gibt dadurch das Gefühl von Trost oder Euphorie
- Unsere Leber leidet beim Zuckerrausch sehr
- Fruchtzucker soll weniger satt machen als andre Sorten, wird fast ausschließlich von unserer Leber verarbeitet und aktiviert gewissermaßen ein Energiespeicherprogramm – wird in Form von Fett gespeichert.
- Ein hoher Zuckerkonsum soll ein Viertel aller nichtansteckenden Krankheiten auslösen. Vor allem Krebszellen sollen Zucker lieben.
Zucker – die Kraft der süßen Versuchung, die sich scheinbar überall versteckt…
Was mich am meisten geschockt hat, war beim Einkaufen die Erkenntnis, dass in vielen Nahrungsmitteln versteckte Zucker stecken. Erst einmal sind die vielen verschiedenen Namen und Sorten völlig verunsichernd und verwirrend.
Natürlich stecken Unmengen von Zucker in Cola und Limonaden, in Smoothies, Säften, aber auch in Tiefkühlgemüse, eigentlich in allen Fertiggerichten wie Pizza, Ketchup und Soßen.
Mein Zuckerfrei-Leben-Experiment
Nicht für jeden Menschen ist der Zuckerverzicht schwer. Meine Schwestern leben schon seit Jahren ohne Zucker. Ich dagegen esse am Tag mindestens eine kleine Tafel Schokolade. Vor allem am Wochenende. Auch Eis, Kakao, Kuchen und Weingummi finden immer gerne einen Platz in meinem Bauch. Ich habe mir den Januar für mein Experiment ausgesucht, weil ich es im Dezember echt mit Stollen, Lebkuchen und Co übertrieben hatte – und weil ich mich zum Anfang des Jahres auch ein wenig erholen wollte.
Ich bin wenig gelaufen, habe kaum Sport gemacht – und dadurch ist es mir sicher leichter gefallen, als Zucker zu verzichten. Mit viel Training und intensiven Einheiten kommt der Heißhunger einem schneller auf die Schliche, als wenn man mal ein paar Wochen bewusst die Umfänge reduziert, dem Körper eine Pause gibt, um sich zu erholen.
Wie lange geht ein Zuckerfasten?
Die einen verzichten an Wochentagen auf Zucker, andere schaffen es, ein ganzes Jahr ohne Süßes zu leben.
Wer wie ich jeden Tag Schokolade isst, am Wochenende auch gern Eis, Kuchen und sonstiger Süßkram, dem wird es deutlich schwerer fallen, ganz darauf zu verzichten. Zunächst fühlt es sich an wie Entzugserscheinungen: Kraftlosigkeit, Müdigkeit, schlechte Laune, Kopfweh, Hungergefühle. Außerdem schmecken viele Dinge erst einmal fade.
Man sollte sich einen realistischen Zeitraum für das Zuckerfasten wählen – indem keine Wettkämpfe stattfinden. Wer nur eine Woche auf Zucker verzichtet – oder ausschließlich an Wochentagen, der kann es auch einfach immer wieder zwischendurch für 5 Tage angehen. Der Körper und die Seele werden davon sehr profitieren.
Was enorm hilft ist es, wenn man sich einen Mitstreiter sucht. Ich habe die Ehre, die vier Wochen zusammen mit meinem Mann auf Zucker zu verzichten, das macht es deutlich einfacher. Der wichtigste Schritt für die Vorbereitung ist, alle süßen Sachen, Marmeladen und Co aus dem Haus zu entfernen und gar nicht erst eine Versuchung in der Nähe zu haben und sich Alternativen zu suchen. Bei uns ist es eine Portion Naturjoghurt (10% Fettanteil) mit Beeren, Bananen, Kakaonibs und Mandelstücken und ein paar getrockneten Erdbeerscheiben. Super leckerer Nachtisch!
Der erste Tag
Nicht einfach. Mir fehlt mittags der Nachtisch und abends beim Chillen auf dem Sofa auch ein Belohnungserlebnis. Filme gucken ohne Süßigkeiten ist schwer… So viele Gewohnheiten sind bei mir mit Süßkram verknüpft. Ich mache einen Schlachtplan, wie ich in den kommenden Wochen auf Heißhungerattacken beim Zuckerfasten reagieren werde und informiere meine Freunde, damit sie mich nicht zusätzlich in Versuchung bringen.
Die erste Woche
Es wird immer einfacher. Aber das Wochenende ist hart. Ich empfinde das Zuckerfasten jedoch als deutlich einfacher, als ich gedacht hätte. Ich bin nicht grummelig, schimpfe nicht mehr mit meinem Mann als sonst 😊 und kann konzentrierter arbeiten. Abends schlafe ich schneller ein.
Nach drei Wochen
Der Schlaf ist tiefer, fester, morgens komme ich etwas besser aus dem Bett. Ich fühle mich unbeschwerter, zufriedener. Bin auch nicht unausgeglichen – und das obwohl ich mich deutlich weniger bewege als sonst. Mein Geschmackssinn wird feiner, ich erlebe viele Dinge als süßer und intensiver – zum Beispiel Äpfel und Blaubeeren.
Nach vier Wochen
Ich freue mich jetzt sehr auf mein erstes Stück Schokolade und genieße es langsam, achtsam, lasse es richtig schön auf der Zunge zergehen. Da ich auch auf Alkohol verzichtet habe, schmeckt auch das erste Glas Wein so gut wie lange nicht mehr. Ich erlebe ein großes Aha-Erlebnis beim ersten Versuch, „ein zuckerfreies Nutella“ zuzubereiten. Es schmeckt mir besser als das Original und ich bin total motiviert, in Zukunft an Wochentagen auf Haushaltszucker zu verzichten.
Es gibt Wege, mit Datteln, Bananen, Xylit und Kokosblütenzucker herrliche Desserts herzustellen. Und ich kann sogar Schokolade und Weingummi für unseren Besuch kaufen, ohne den heftigen Drang, sie selbst zu verzehren. Ein wahres Erfolgserlebnis. Ich fühle mich extrem willensstark und genieße das Gefühl der Freiheit.
Was tun bei Heißhungerattacken
Natürlich gibt es viele verschiedene Mittel und Wege, wie man bei Heißhungerattacken während des Zuckerfastens reagiert. Ich schreibe hier die auf, die ich ausprobiert habe:
- In eine Zwiebel beißen. Geht gar nicht, finde ich furchtbar ekelig. Ich esse daher ein keines Stück frischen Ingwer.
- Zähneputzen – danach hat wirklich wenig Bock auf was Süßes
- Obst essen, vor allem Beeren oder einen Apfel
- Ein großes Glas warmes Wasser trinken
- Sich selbst Limonade machen: mit frischer Minze, Zitronenscheiben und ein paar gefrorenen Himbeeren
- Echt. Meist ist man einfach nur müde und verwechselt das Gefühl mit Hunger…
Fazit
Ich werde das 4-Wochen-Zuckerfasten im nächsten Jahr wiederholen. Ein Leser schrieb mir, dass er gerade ein ganzes Jahr lang auf Haushaltszucker verzichtet und ob ich nicht auch mitmachen will – aber das ist mir ehrlich gesagt zu anstrengend und mit meinem Sportpensum nicht zu vereinbaren. Außerdem gehört Schokolade auch zur Lebensqualität dazu.
Ich mache allerdings jetzt viele Dinge anders und liebe zum Beispiel Schokolade mit Kokosblütenzucker. Klar – die ist auch nicht besonders gesund, aber deutlich besser als die mit Haushaltszucker und da sie teurer ist, esse ich auch nicht die ganze, sondern nur die halbe Tafel… 😉
Also: probiert es aus. Es lohnt sich! Körperlich, aber auch mental.
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