Dr. Ulrich Bader, Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie in der OrthoPraxis in Gräfelfing, antwortet: Warum habe ich Schienbeinschmerzen?
„Es handelt sich mit großer Wahrscheinlichkeit um ein Überlastungsproblem. Das kann eine akute Überlastung sein wie eine plötzliche Steigerung der Trainingsintensität. Oder eine chronische Überlastung wie ein wochen- oder monatelanges hohes Laufpensum. Durch die hohe Belastung mutet man den ganzen Strukturen im vorderen Schienbein zu viel zu. Die Knochenhaut wird gereizt, eine Entzündung entsteht.
Oft haben die betroffenen Läufer auch eine Fußfehlstellung, zum Beispiel einen Knickfuß. Knickt man beim Laufen immer nach innen, liegt noch mehr Spannung auf dem Schienbeinmuskel. Dieser Muskel versucht aktiv gegen diese Fehlbelastung anzukämpfen – und dann kommt es zu Überreizungen.
Ein falscher Laufstil kann ebenfalls eine Art Kaskade in Gang setzen. Ein Beispiel: Beugt man sich beim Laufen zu weit nach hinten, verschiebt sich der Körperschwerpunkt. Um dann beim Joggen nicht ständig nach hinten gezogen zu werden, muss der Läufer dies mit den vorderen Muskeln im ganzen Bein ausgleichen.
Ungeeignete Laufschuhe sowie Laufen auf Asphalt wirken sich ebenfalls negativ auf das Schienbein aus.
Man sollte bei Schmerzen im Schienbein auf jeden Fall zügig zum Orthopäden gehen, da mehrere Ursachen infrage kommen. Das Problem ist, dass viele Sportler mit Schienbeinproblemen erst sehr spät zum Arzt kommen und sich das Problem oft schon chronifiziert hat. Der Orthopäde untersucht dann das Schienbein genau und auch die Füße, um eventuelle Fußfehlstellungen zu erkennen. Meistens folgt eine Ultraschall-Untersuchung, je nach Beschwerdeintensität wird ein Röntgenbild angefertigt.
Eine baldige Behandlung ist nicht nur wegen der Schmerzen notwendig, sondern vor allem, um weiteren Schäden vorzubeugen. Denn hält die Überlastung an, können sich winzig kleine Brüche im Knochen, sogenannte Mikrofrakturen, bilden.
Bei Schmerzen beim Sport – und somit auch bei Schienbeinproblemen – gilt immer: Eine Anpassung der Belastung vornehmen beziehungsweise erst einmal pausieren!
Bewährt haben sich bei Schienbeinschmerzen verschiedene Therapien:
Dazu gehören vor allem manuelle Therapien wie Dehnübungen und Übungen mit der Faszienrolle, um die Durchblutung in diesem Bereich anzuregen.
Um die Schmerzen zu lindern und die Entzündung einzudämmen, kann der Sportler vorübergehend nicht-steroidale entzündungshemmende Medikamente (NSAP) nehmen. Auch Salben mit entzündungshemmenden Wirkstoffen können helfen. Zusätzlich können kompressive Tapeverbände oder kommerzielle Bandagen die beanspruchten Areale entlasten. Sind Fußfehlstellungen mit ursächlich für die Schienbeinprobleme, verschreibt der Orthopäde Einlagen.
Das Lauftraining sollte man erst wieder aufnehmen, wenn man beschwerdefrei ist. Und dann langsam steigern! Man kann zwischenzeitlich ausweichen aufs Fahrradfahren, wo man die Stoßbelastung nicht hat. Oder man macht Krafttraining mit verschiedenen Geräten.”
Vorbeugen ist möglich
Gute Schuhe, Laufbandanalyse, langsames Steigern des Trainings, gut aufwärmen und dehnen. Ebenfalls wichtig: Nicht nur auf Asphalt trainieren. Denn je mehr Stoßbelastung ich habe, desto mehr Belastung bringt man auch ins Schienbein.
Unser Experte: Dr. Ulrich Bader ist Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie in der OrthoPraxis in Gräfelfing. Dr. Bader besitzt große Expertise in der konservativen und operativen Behandlung von Hochleistungssportlern und Freizeitsportlern. Mehr Infos: www.ortho-graefelfing.de
Autorin: Gabriele Hellwig
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