Kann ich mit Skoliose bedenkenlos laufen?
Dr. Ulrich Bader, Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie in der OrthoPraxis in Gräfelfing (www.ortho-graefelfing.de), antwortet:
„Bei Skoliose gibt es zwei grundlegend verschiedene Formen, die einen wichtigen Unterschied machen. Die erste ist die angeborene Skoliose, die zweite entwickelt sich oft schleichend im Erwachsenenalter durch Verschleiß (s. Info-Kasten unten).
Beide Skoliosearten verlangen unterschiedliche Ansätze, und doch gilt für beide: Laufen an sich ist als Sport durchaus geeignet. Denn beim Laufen wird die Muskulatur symmetrisch beansprucht, ohne dass eine Seite stärker belastet wird. Außerdem ist unabhängig vom Alter und der Art der Skoliose die Stärkung der Muskulatur sehr empfehlenswert, um die Wirbelsäule zu stabilisieren und Belastungen auf die Wirbelsäule bestmöglich abzufangen. So kann man das Fortschreiten der Skoliose bremsen.
Dennoch gilt: Je ausgeprägter die Skoliose, desto vorsichtiger sollte man an das Training herangehen. Gerade bei starker Krümmung empfiehlt sich eine aufmerksame Anpassung der Lauftechnik und -intensität. Für Skoliose-Betroffene ist auch gedämpftes Schuhwerk und ein weicher Untergrund essenziell, um die Stoßbelastung auf die Wirbelsäule zu minimieren.
Eine Laufbandanalyse kann helfen, den optimalen Laufstil zu finden – etwa, indem das Abrollverhalten optimiert und der Mittelfuß statt der Ferse stärker belastet wird. Die Körperhaltung sollte ebenfalls beim Laufen überprüft werden.
Beim Laufen geht es darum, eine nur leicht nach vorn geneigte aufrechte Haltung einzunehmen. Diese Position streckt die Wirbelsäule und kann die Skoliose aktiv mindern. Eine regelmäßige Selbstkontrolle vor dem Spiegel oder auf dem Laufband hilft Läufern, ihre Haltung zu überprüfen. Dabei sollte der Kopf zentral über Brustkorb und Becken stehen, um eine optimale Stabilität zu erreichen.
Leichte Skoliosen mit einer Krümmung zwischen zehn und 20 Grad erfordern häufig keine besondere Behandlung. Regelmäßiger Sport und gezielte Kräftigungsübungen helfen oft, die Muskulatur stabil zu halten und die Beweglichkeit der Wirbelsäule zu bewahren.
Bei den Kräftigungsübungen sollten Läufer mit Skoliose beachten, dass diese symmetrisch ausgeführt werden müssen, um die Wirbelsäule nicht zusätzlich zu belasten. In Fällen, in denen die Skoliose auf eine Beinlängendifferenz zurückzuführen ist, kann ein Ausgleich durch Schuheinlagen die Balance wiederherstellen und die Wirbelsäule entlasten.
Klagt ein Patient mit Skoliose über Rückenschmerzen, empfiehlt sich oft eine Physiotherapie, um die Muskulatur zu stabilisieren und die Belastung zu reduzieren. Die sportliche Leistung sollte dann vorübergehend etwas zurückgeschraubt werden, bis die akute Schmerzphase abgeklungen ist.
Rückenschmerzen sind jedoch nicht immer ein Zeichen für Skoliose – manchmal steckt einfach eine muskuläre Fehlhaltung dahinter. Das heißt: Man sieht zwar eine leichte Verkrümmung, aber diese reguliert sich wieder von selbst, sobald die Schmerzen abklingen.
Wichtig: Nur der Orthopäde kann eine verlässliche Diagnose stellen – und häufig bleibt eine leichte Skoliose unentdeckt, bis Betroffene wegen Rückenschmerzen den Arzt aufsuchen. Gerade bei Läufern mit einer degenerativen Skoliose sind erste Verschleißerscheinungen oft schon ab Mitte 40 erkennbar. Hier wird Schmerz zum wertvollen Warnsignal, das frühzeitig auf Fehl- oder Überbelastungen hinweist und eine gezielte Anpassung der Belastung ermöglicht.
Stichwort Skoliose
Der Begriff Skoliose leitet sich vom griechischen Wort „skolios“ ab und bedeutet „krumm“. Die Erkrankung beschreibt eine seitliche Verkrümmung der Wirbelsäule, bei der sich häufig auch die einzelnen Wirbelkörper leicht verdrehen. Skoliose kann sich auf unterschiedliche Weise entwickeln: Zum einen gibt es die angeborene Skoliose, die häufig während der Wachstumsphasen in der Kindheit entsteht. Zum anderen gibt es die sogenannte degenerative Skoliose, die durch Abnutzung der Bandscheiben und Wirbelgelenke im Erwachsenenalter entsteht. Mit zunehmender Lebenserwartung geht die Medizin davon aus, dass in Zukunft mehr Menschen von der degenerativen Form der Skoliose betroffen sein werden.
Die degenerative Skoliose beginnt oft schleichend: Meist ist anfangs nur ein Kreuzschmerz zu spüren, der durch Abnutzung der Bandscheiben und Wirbelgelenke verursacht wird. Diese Abnutzung tritt oft nicht symmetrisch auf – auf einer Seite ist der Verschleiß meist stärker als auf der anderen, was die Wirbelkörper kippen und drehen lässt.
So entsteht die typische Krümmung, die im fortgeschrittenen Stadium zu einer Fehlhaltung führt. Ohne gezielte Behandlung kann Skoliose das Gleichgewicht beeinträchtigen und das Risiko von Stürzen erhöhen. Auch Muskelverspannungen, Rücken- und Nackenschmerzen sowie ein starker Druck auf die inneren Organe, insbesondere Herz und Lunge, sind mögliche Folgen.
Unser Experte: Dr. Ulrich Bader ist Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie in der OrthoPraxis in Gräfelfing. Dr. Bader besitzt große Expertise in der konservativen und operativen Behandlung von Hochleistungssportlern und Freizeitsportlern. Mehr Infos: www.ortho-graefelfing.de
Autorin: Gabriele Hellwig
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