Der Südthüringentrail
Ein sagenhaftes Laufabenteuer vom 11.09.2021
Der „Trail mit Herz“ ist kein Geheimtipp mehr, sondern hat längst einen Kultstatus erreicht und trotzdem nichts an seinem Charme verloren. Seit fünf Jahren lockt er „Wichtel“, „Riesen“ und „Helden“ aus ganz Deutschland in die knapp 35.000-Einwohner-Stadt Suhl. Sie alle wollen nur das eine: auf den verschlungenen Wegen abseits der Hauptschlagader des Thüringer Waldes ein Laufabenteuer erleben. Wir sind auch in diesem Jahr wieder dabei gewesen und haben uns unter die Riesen gemischt.
Zur Auswahl stehen jedes Jahr
- Wichteltrail 17,4 km mit 559 hm
- Riesentrail 47,5 km mit 1.932 hm
- Heldentrail 64,9 mit 2.491 hm
Herzlichkeit, Lauffreude und Walderlebnis mit Suchtfaktor
Der Südthüringentrail (STT) feiert in diesem Jahr sein kleines Jubiläum: Er findet am 11. September zum 5ten Mal statt. In diesem Jahr wird außerdem zum ersten Mal die Meisterschaften der DUV im Ultralauf auf der längsten der angebotenen Strecken, dem Heldentrail, ausgetragen.
Der Zauber des Südthüringer Waldes
Beim STT hat man mehrere Strecken zur Auswahl und so kommt es, dass Familien oder Freunde gemeinsam anreisen und das für sich passende Rennen wählen. Manche befinden sich seit der Coronakrise in einer Formkrise und bestreiten hier ihren ersten Wettkampf. Andere sind noch vor zwei Wochen bei einem Bergrennen gewesen und können einfach nicht genug kriegen. Aber vor allen anderen findet man in Suhl „Wiederholungstäter“ – viele der Teilnehmer kommen schon zum dritten, vierten oder fünften Mal hierher.
Man muss wissen, wer man sein will und seine Kräfte richtig einschätzen – denn es ist auch in Suhl noch kein Held vom Himmel gefallen. Man muss sich schon gut vorbereiten, um bei einer dieser Prüfungen erfolgreich zu bestehen.
Eine Heldenreise für Läufer
Helden fallen bekanntlich nicht vom Himmel. Sie kämpfen sich durchs Dickicht des Lebens – oder auch durch den Südthüringer Wald, und erringen sich ihren Titel durch Tapferkeit, Mut und Ausdauer. Oder wie der bekannte Dichter Ralph Waldo Emerson sagte: „Ein Held ist einer, der fünf Minuten länger durchhält als der normale Mann.“ Hier beim STT begegnet man vielen spannenden Frauen und Männern, die viel Freude daran haben, mitten im Wald ihre Kräfte zu messen.
Aus ganz Deutschland sind Trailläufer angereist, manche aus dem Norden und Osten wie Anna und ich – um endlich mal wieder Höhenmeter zu machen und nicht wie daheim im Flachland zu rennen. Aber auch aus dem Ausland sind Läufer am Start.
Bei der Pastaparty am Abend vor dem Rennevent trifft man viele Wiederholungstäter und alte Trailfreunde aber auch neue Gesichter, Trailanfänger und alte Hasen. Freunde, die wie Anna und ich gemeinsam bei einem der Rennen an den Start gehen. Vater und Sohn, die sich als „Helden“ beweisen wollen. Beide schwärmen vom STT – und kommen jedes Jahr wieder. „Es ist nicht nur die wunderschöne Natur, die nie langweilig wird, egal wie oft man sie schon erlaufen hat. Es sind auch die herzlichen Leute in der Organisation. Wir kommen aus Suhl und helfen auch mit. Das gehört einfach dazu!“, erklärt Jonas Knüpper. Mancher seiner ehemaligen Schulkameraden steht beim Lauf an der ein oder anderen Verpflegungsstelle. Jonas ergänzt: „Und der Garten meiner Oma liegt quasi direkt an der Strecke!“ Es ist ein Heimspiel für die einen und ein Sehnsuchtsort für die anderen. Der Lettländer und Vorjahreszweite Toms Komass hat es sich auch nicht nehmen lassen, für den Lauf wieder nach Suhl zu kommen. Er freut sich auf die Top-Läufer, die diesmal wegen der Meisterschaften am Start sind. „Jetzt kann ich mich mal mit den richtig guten deutschen Trailläufern messen!“
Bin ich nun ein Wichtel, Riese oder Held?
„Wie heißt eigentlich die weibliche Version eines Wichtels?“ fragt mich eine Läuferin bei der Pastaparty. Ich habe keine Ahnung.
Beim Südthüringentrail ist für alle Läufer was dabei. Es gibt drei Strecken zur Auswahl. Wer sich als Wichtel bewährt hat, wird beim nächsten Mal zum Riesen und stellt sich ein Jahr später der Heldenreise. Es gibt aber natürlich auch abenteuerlustige Trailläufer, die sich direkt als Riese oder Held versuchen.
Für alle, die noch nicht beim STT teilgenommen haben, hier eine kleine Übersicht:
Der Wichteltrail
17,4 Kilometer | 559 Höhenmeter
Der Wichteltrail ist immer am schnellsten ausgebucht. Er bietet eine waldreiche Strecke, kaum Teer, und die kleinen Pfade, Waldwege, Treppen und Pisten bringen manchen Wichtel ganz schön ins Schwitzen. Mitten im Wald erscheint der Wichtel als Maskottchen des STT und feuert die Teilnehmer an. Die idyllisch gelegenen Verpflegungsstationen bieten eine große Auswahl an Köstlichkeiten.
Die Streckenlänge ist gut für alle, die sich noch nicht so lange in das Abenteuer Trailrunning gestützt haben und erste Rennerfahrungen machen wollen. Man sollte den Wichtellauf aber auf keinen Fall unterschätzen. Der niedliche Name täuscht. Er hat es mit seinen Höhenmetern schon auch in sich, es geht ordentlich hoch und runter. Wer „wichtelt“, hat eine große Leistung erbracht. Und wer einmal kommt, wird süchtig nach mehr. Der Wald in Südthüringen ist groß…
Der Riesentrail
Beim Riesentrail warten 47,5 Kilometer und 1.932 Höhenmeter auf mutige Läufer.
Die Strecke ist schön und abwechslungsreich – und führt uns hauptsächlich über Trails und Forstwege durch die tiefen Wälder, zwei Pisten und hin und wieder über Teerabschnitten, wenn es durch die umliegenden Orte geht.
Unter Riesen
Ich bin nicht zum ersten Mal in Suhl und habe hier schon als Wichtel Erfahrungen beim Südthüringentrail machen dürfen. Doch diesmal will ich mich zusammen mit meiner Lauffreundin Anna vom „Riesentrail“ herausfordern lassen: 47,5 Kilometer und fast 2.000 Höhenmeter warten auf uns – und natürlich ein Eintauchen in die herrlichen Wälder im grünen Herzen Deutschlands.
Was uns als erstes auffällt ist die Stimmung. Es ist familiär, herzlich und ungezwungen. Außerdem hilft man sich hier – nicht nur die Einheimischen hängen sich rein, auch die Veranstalter anderer Laufevents in der Region packen mit an.
Wer ein Riese werden will, muss 47,5 Kilometer zurücklegen. Kurz nach dem Start im historischen Gewerbepark Simson folgt nämlich die „Hammerwand“ und führt an der Ruine der ehemaligen heidnischen Kultstätte namens St. Annen-Kapelle vorbei mitten in das Herz des Thüringer Waldes. Bergbauwanderwege erinnern an längst versiegelte Stollen. Anna und ich sind begeistert von der abwechslungsreichen Strecke, die nie langweilig wird. Die Nebelschwaden im Wald verleihen dem Lauferlebnis einen mythischen Charakter. Mich würde nicht wundern, wenn uns die ein oder andere Elfe begegnet. Stattdessen wartet an einer wunderschön gelegenen Verpflegungsstelle der Wichtel. Er erkennt mich vom letzten Jahr, wir tauschen uns kurz aus. Anna und ich genießen die leckere Wassermelone und die schöne Aussicht ins Tal. Dann geht es weiter.
Die Strecke haut einen einfach um, manchmal wegen der sagenhaften Aussicht und den wunderschönen Trails durch die unberührte Natur, manchmal wegen der heftigen Anstiege. Vor allem die Pisten haben es in sich. Rauf kommen wir ganz schön ins Keuchen. Runter legen wir uns das ein oder andere Mal hin. Aber immer lachend. Das ist das Schöne beim Trailrunning. Man wird wieder zum Kind, läuft mit fuchtelnden Armen Berge hinunter, rutscht auf dem Hintern, staunt über die kleinen Wunder in der Natur und freut sich auf die nächste Verpflegungsstelle.
Neben der Natur und all den freundlichen und motivierenden Helfern haben uns die Begegnungen mit anderen Läufern beeindruckt.
Der eine ist gerade noch beim Mauerweglauf gewesen und hat noch Muskelkater, ein anderer erzählt uns, dass er mehrere Schlaganfälle hatte und noch vor zwei Jahren nicht daran geglaubt hätte, jemals wieder laufen zu können. „Das Laufen hat mir das Leben gerettet,“ glaubt er. „Und wenn man mal im Rollstuhl sitzt und gar nichts mehr kann – und dann doch ringt und sich ins Leben zurückkämpfen kann – dann läuft es sich anders. Das ist ein Riesengeschenk, hier als Riese zu rennen!“ Ich nicke und muss noch oft an diese Sätze denken.
Für Anna und mich sind die schwierigsten Passagen gleichzeitig auch die schönsten. Es ist einfach ein erhebendes Gefühl, die Pisten zu bewältigen und dann auch wieder ins Tal zu stürzen.
Die härteste Stelle ist laut vielen Läufern aber nicht einer der Pisten, sondern das Ende des Laufs: die letzten zwei Kilometer tun richtig weh. Man hört schon die Zuschauer und Finisher, und ist doch noch nicht im Ziel. Aber umso größer die Freude, wenn es geschafft ist. Anna und ich fallen uns froh in die Arme. Obwohl wir uns viel Zeit zum Genießen und Fotografieren genommen haben, sind wir immerhin als sechste und siebte über die Ziellinie gelaufen. Für Anna ist es das längste Rennen ihres bisherigen Lebens. Und wir fragen uns beide, ob wir im nächsten Jahr wieder kommen und es als Helden versuchen. Suhl und seine Natur faszinieren mich jedes Mal neu.
Der Heldentrail
64,9 Kilometer | 2.491 Höhenmeter
Der Heldentrail ist ein Lauf mit besonderer Prüfung: Man läuft zuerst den Riesenlauf und hängt dann noch den Wichteltrail hinten dran. Hier findest du den Erlebnisbericht der Vorjahressiegerin Helén Schrötter.
Der Hintergrund
Weil sie ihre sagenhafte Welt auch anderen Gleichgesinnten lieb machen wollen, haben vor ein paar Jahren einheimische Ultralauf-Freaks den Südthüringentrail e.V. gegründet und den SÜDTHÜRINGENTRAIL ins Leben gerufen. Dessen Kurs verläuft querfeldein rund um Suhl. Die vom Bergbau geprägte Stadt darf sich stolz „naturreichste Stadt Thüringens“ und „Größter Erholungsort Deutschlands“ nennen.
Fazit
Der Südthüringentrail ist wirklich ein Trailerlebnis der besonderen Art, und ich kann nur jedem Läufer empfehlen, sich hier mal als Wichtel, Riese oder Held durch die Wälder zu schlagen.
Es steckt drin, was draufsteht: ein Trail fürs Herz. Das Miteinander und die Freundlichkeit des ganzen Orga-Teams und der Teilnehmer ist einzigartig. Der Südthüringentrail gehört zu den Laufevents, wo ich immer wieder gern hinfahre. Man fühlt sich willkommen, ein bisschen wie zuhause.
Hauptmerkmale
- Herzliche Atmosphäre
- Natur pur – abwechslungsreiche und herausfordernde Strecken
- Sehr gute Organisation
- Absolutes Laufabenteuer
Abgebrochene Helden und aufgestiegene Riesen
Hier eine kleine Kurzübersicht des Südthüringentrails 2021:
- 599 Teilnehmer – aus Deutschland, Brasilien, Slowenien, Lettland, Polen, Dänemark und den USA.
- Insgesamt gab es 406 Ultra-Trail-Finisher, damit ist der STT (Südthüringentrail) der bislang größte nationale Ultratrail-Event in diesem Jahr und die größte deutsche Ultra-Veranstaltung.
- Über 130 hoch engagierte Helfer
- 179 Wichtel-Starter, davon 178 Finisher
- 121 Riesen-Starter, davon 115 Finisher (146 Finisher, wenn man die „abgebrochenen Helden“ mitzählt)
- 299 Helden-Starter, davon 242 Finisher
- 49 „abgebrochene Helden“, die als Riesen gefinisht haben.
Der Südthüringentrail ist eine Oase für alle Natur-Freaks und ein Event, bei dem man zum Helden wird. Egal welche Strecke es letztendlich ist, man wächst an diesem Tag über sich hinaus und trifft viele tolle Menschen.
Bemerkenswert
In diesem Jahr fanden hier auch die DUV-Meisterschaften im Ultratrail auf dem Heldentrail-Kurs statt. Dabei kam es zum ersten Doppelsieg bei den Männern in der DUV-Historie. Alexander Dautel und Lukas Kley hießen die glücklichen Sieger mit neuem Streckenrekord in 5:44:23. Bei den Damen setzte sich Almut Dreßler in 6:37:13 durch.
Sonja und Detlef Kley, die ich in diesem Jahr schon beim Villnöss Dolomiten Run in Südtirol getroffen hatte, waren auch beim Südthüringentrail wieder dabei und finishten hier ihren 100.Marathon/Ultra gemeinsam auf der Riesentrail-Strecke.
Der älteste Teilnehmer beim STT war 77 Jahre alt: Hagen Brumlich erbrachte eine Riesen-Leistung und kam nach 9:40:02 Stunden ins Ziel.
Der einstige Deutsche Meister im 100-km-Lauf und längs in „Läuferrente“ gegangene DUV-Vizepräsident Michael Sommer ließ es sich nicht nehmen, am Ende der Heldenstrecke ohne Startnummer für ein paar Kilometer mitzutraben. Sein Plan war, einige Passagen zu verkürzen und dann wieder zurückzukehren. Allerdings packte Micha dann das Lauffieber und es gefiel ihm so gut, dass er kurzerhand die Riesentrailrunde komplett absolvierte und dann im Ziel beschloss, den Wichteltrail jetzt auch noch erlaufen zu wollen. Der einstige Sieger des Rennsteiglaufs sowie der 100 Kilometer von Biel beendete seinen „Trainingslauf“ locker unter 7:30 Stunden.
Umgang mit Corona
Viele Organisatoren von Laufevents haben seit der Coronakrise Schwierigkeiten. Manche müssen schweren Herzens ganz aufgeben. Für das Organisations-Team des Südthüringentrails stand früh fest, dass sie auch in diesem Jahr alles dafür geben werden, dass der Lauf stattfinden kann. Natürlich unter den geltenden Bestimmungen.
Schuh-Empfehlung für den Südthüringentrail
Da alle Strecken mehr oder weniger über kleine Trails Forst- und Waldwege führen, wurzelreich und je nach Wetter auch rutschig sein können und es durch die Höhenmeter auch ordentlich rauf und runter geht, sollte man auf jeden Fall mit einem guten Trailschuh an den Start gehen. Er muss Grip auf unterschiedlichen Untergründen haben, Steinschutz und ein etwas robusteres Material sind auch nicht verkehrt.
Der STT findet jährlich am zweiten Septemberwochenende statt. Wer mitmachen will, sollte mit der Anmeldung nicht zu lange warten. Die Nachfrage an Startplätzen ist groß. Der Lauf ist immer sehr schnell ausgebucht.
Ein Video zum Südthüringentrail findet ihr hier
Weitere Infos zum SüdthüringenTrail oder Tourismus in Suhl.
Am Vortag der Läufe: Tabitha Bühne im Gespräch mit Jörg und Jonas Knüpper
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