Gemeinsam durch den Matsch – Laufen für die Freiheit!
Der Mudraise – ein Schlammlauf gegen Sklaverei und Menschenhandel
Es ist heiß, die Sonne knallt unbarmherzig auf unsere Köpfe und wir schauen mit Vorfreude und Spannung auf die Hindernisse, die uns gleich erwarten. Ab und zu schreien in der Ferne Teilnehmer, die schon auf der Strecke sind – hoffentlich vor lauter Freude – während sie in ein Wasserbecken katapultiert werden, das schon längst die Farbe des Matsches angenommen hat. Willkommen beim Schlammlauf!
Ich habe mich an diesem Sommertag mit meinem Bruder auf die Reise nach Arnsberg in NRW gemacht, um bei einem Schlamm-Lauf mitzumachen. Doch es ist kein gewöhnlicher Hindernislauf. Ganz offensichtlich wird es uns spätestens in dem Moment, als wir zusammen mit 100 „Mudraisern“ im Startblock stehen und alle im Chor schreien, warum wir eigentlich hier sind: „Laufen, bis alle frei sind!“ Wir wollen der Menschenrechts-Organisation International Justice Mission dabei helfen, der modernen Sklaverei und dem Menschenhandel ein Ende zu bereiten. Aber kann ein Lauf wirklich einen Beitrag dazu leisten?
Ein Schlammlauf für alle, die etwas bewegen wollen
Es ist der erste Startschuss zu einem Mudraise Event in Deutschland: einem Schlamm-Spenden-Lauf von der Hilfsorganisation International Justice Mission (IJM), bei dem die Teilnehmenden allein oder in Gruppen einen schlammigen Hindernis-Parcours von entweder 6km, 12km oder 16km oder gar 42km bewältigen und sich dabei gegen moderne Sklaverei einsetzen. Das Rennen findet im Rahmen des Schlammlaufs „Mud Masters“ statt – ist sozusagen ein Lauf im Lauf.
Foto: davedehaan.nl
Es handelt sich dabei um einen wahren Spaß-Lauf, bei dem ganz verschiedene Menschen aus ganz Deutschland und einigen anderen Ländern der Welt anreisen, um ein verrücktes Abenteuer zu erleben. Das Schöne an dem Event ist, dass es nicht nur eine unvergessliche Herausforderung bietet, sondern auch eine herrliche Festivalatmosphäre. Schon beim Eintreffen wird man von der ausgelassenen Stimmung mitgerissen.
Inmitten der grünen Wälder, Hügel und Wiesen des Sauerlands wurden einige liebevoll gestaltete Stände und Buden errichtet. Den Hintergrund bildet das Schloss Herdringen. Wer will, kann sich vor oder nach dem Rennen noch bei der „Hanging Challenge“ mit dem bisherigen Highscore von 3:17 Minuten messen. Wir lassen das lieber und sparen unsere Kräfte für das Mudraise auf…
Ein Lauf für Freunde, Familien und Abenteuerverrückte
Es sind nicht lauter Cracks am Start, sondern viele Familien, Vereine, Freundeskreise und Pärchen, die sich auf einen aktiven und aufregenden Tag freuen. Zahlreiche Hindernisse und schlammige Überraschungen verwandeln den Lauf in ein abwechslungsreiches Spektakel. Es gilt also, gemeinsam Grenzen zu überwinden und ein echtes Abenteuer zu erleben. Das lockt nicht nur Läufer aus allen Ecken Deutschlands – beim Mud Master und Mudraise begegnen wir auch vielen gut gelaunten Holländern, die für ein Wochenende angereist sind.
Heterogenität zeigt sich nicht nur im Anreiseweg; mit dabei sind sportliche Studenten, Mütter mit Kindern, lauftüchtige Polizisten und scheinbar chronische Schlammlauf-Junkies, die einfach nicht genug kriegen können und zu jedem Hindernislauf reisen – ob sie es nun in die USA, nach Schottland oder eben ins Sauerland führt. Viele sind schon am Tag zuvor angereist und haben in der Nähe gezeltet, bei einem Life-Konzert zugeschaut oder eine eigene Party gefeiert. Und da es auch eine Family-Edition gibt, ist wirklich für Klein und Groß etwas dabei.
Foto: davedehaan.nl
Strom, Schlamm und gemeinsame Hau-Ruck-Aktionen
Mein Bruder ist eher ein Kraftsportler und ich eher eine Langstrecken-Läuferin, wir sind uns daher nicht ganz sicher, ob wir für dieses schlammige Hindernisrennen gut gerüstet sind. Aber schon vor dem Start ist klar: zusammen wird es eine Gaudi! Gemeinsam wollen uns heute mit anderen Läufern durch den Parcours kämpfen, dabei hölzerne Wände überwinden, unter „Strom-Netzen“ durch den Matsch robben, Sandsäcke tragen und uns über ein Wasserbecken hangeln, um bei gefühlten 40 Grad schließlich zusammen das Ziel des Mudraises zu erreichen. Und uns zugleich mal richtig dreckig machen – um an ein viel dreckigeres Geschäft zu erinnern, das Millionen von Menschen betrifft…
Foto: davedehaan.nl
Was wir über Sklaverei und Menschenhandel wissen sollten
Ehrlich gesagt war mir über viele Jahre nicht bewusst, wie verbreitet Sklaverei und Menschenhandel heute noch sind. Ich wusste zwar theoretisch, dass auch heute noch vielerorts Menschen wie Tiere behandelt werden. Aber mir war unbekannt, dass wir das Problem indirekt tatsächlich maßgeblich unterstützen: Deutschland ist laut IJM der drittgrößte Importeur von sogenannten Risikoprodukten.
So werden laut Schätzungen jährlich Produkte im Wert von 30 Milliarden US-Dollar zu uns importiert, die mit Sklaverei im Zusammenhang stehen. IJM befreit seit vielen Jahren Menschen weltweit aus der Sklaverei und hilft dabei, Rechtssysteme zu stärken.
Foto: davedehaan.nl
Hier ein paar Zahlen, die das Ausmaß in aller Kürze auf den Punkt bringen:
- Aktuell sollen mehr als 40 Millionen Menschen in Sklaverei leben
- 10 Millionen davon sind Kinder
- Die Mehrheit der Sklaven wird in Fabriken, auf dem Bau, in Steinbrüchen, in der Fischerei oder Landwirtschaft „eingesetzt“
- Mehr als 70 % der Sklaven weltweit sind Mädchen und Frauen
- Weltweit erfahren über 35% aller Kinder und Frauen in ihrem Leben sexuelle und körperliche Gewalt
Was hinter dem Schlammlauf steckt
Beim Mudraise wird nicht nur auf das Problem der modernen Sklaverei hingewiesen, sondern auch Geld gesammelt, um das Schicksal von Menschen zu verändern. Aber neben dem Wissen, einen kleinen Beitrag für mehr Gerechtigkeit zu leisten, bekommt man auch die herrlichsten Kindheitsgefühle, eine kostenlose Schlammpackung für die Haut und einen Adrenalinschub, der einen wieder jung und lebendig fühlen lässt.
Was passiert bei dem Hindernis-Lauf?
Die Hindernisse fordern heraus, aber machen vor allem unglaublich viel Spaß. Es geht eben nicht nur ums Laufen, gefordert ist auch ein Kriechen, Klettern, Hangeln, Robben, Rutschen und vor allem: ein gemeinsames Durchhalten. Die Hindernisse sind sehr abwechslungsreich, vielseitig und ihre Bezeichnungen bringen die Bandbreite des Rennens gut auf den Punkt: „Mud Crawl“, „Getting Tired“, „Great Walls“, „Walk the Plank“, „Flying Monkey“, „Pipe Runner“… Einige dieser Hindernisse kann man alleine gar nicht meistern und ist aufeinander angewiesen. Teambildungsmaßahmen inklusive.
Foto: davedehaan.nl
Die Laufstrecke führt über weiche Wiesen, matschige Schlammlöcher, Waldpfade und Wiesen-Serpentinen. Immer wieder begegnen uns Schilder mit motivierenden Sprüchen wie „Es gibt keine wertvolle Erinnerung, ohne dafür ein Risiko einzugehen“.
Aufgrund der hohen Temperaturen von 34 Grad verwandeln immer mehr Teilnehmer den Schlammlauf in eine Matschwanderung. Wir rennen weiter – denn wir laufen hier ja nicht nur für uns, sondern für 40 Millionen, die noch nicht in Freiheit leben. Und so ist der Zieleinlauf auch nicht wie sonst: die Zeit ist völlig unwichtig, es geht nicht um den eigenen Sieg oder eine Platzierung. Es geht darum, sich gemeinsam in den Dreck zu wagen, sich bei den Hürden gegenseitig zu helfen und um sich selbst und andere an etwas Wichtigeres zu erinnern.
Natürlich kann man mit der Teilnahme an diesem Mudraise-Lauf nicht mal eben die Welt verändern. Aber einen Unterschied machen – für das Schicksal von echten Menschen. Viele von den Sklaven müssen seit ihrem vierten Lebensjahr als Sklaven arbeiten müssen, oft werden sie aus Not und Hunger von den eigenen Eltern an Sklavenhändler verkauft. IJM versucht so viele wie möglich aus diesem Netz zu befreien.
Fazit
Wir haben dermaßen viel Spaß beim Schlammlauf, dass wir beim nächsten Mal auf jeden Fall wieder gerne an den Start gehen. Laufend etwas Gutes zu tun ist doch immer eine schöne Sache. Und zur Belohnung gibt es eine Pommes, ein alkoholfreies Bier und um uns vom Dreck zu befreien und der Hitze zu entfliehen, endet unser schöner Tag schließlich im klaren Wasser des Sorpesees.
Den „Mudraise“ wird es auch nächstes Jahr wieder in Arnsberg geben – es lohnt sich, dann dabei zu sein, als Lauftreff, als Clique, als Familie, als Team.
Foto: davedehaan.nl
Der „Mudraise“ ist ein schlammiger Hindernis-Lauf von IJM (International Justice Mission) im Rahmen von „Mud Masters“, bei dem die Teilnehmenden allein oder in Gruppen einen schlammigen Hindernis-Parcours von entweder 6km, 12km oder 16km oder gar 42km bewältigen und sich dabei gegen moderne Sklaverei einsetzen. IJM befreit Menschen weltweit aus der Sklaverei, setzt sich gegen Gewalt und Armut ein und hilft dabei Rechtssysteme zu stärken.
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