Spontan 111 Kilometer beim Istria 100 by UTMB

Mein erster Hunderter mit nur 4 Wochen Vorbereitung

Was für ein großartiger Saisonauftakt! Für über 2.650 ambitionierte Trailläufer ging es bereits Anfang April auf insgesamt fünf Distanzen: 100 Meilen, 110km, 69km, 42km und 21km zum Istria 100 by UTMB in das kleine Küstenstädtchen Umag. Hier sollte sich herausstellen, welcher Trailrunner über den Winter gut trainiert hat und nun fit genug ist für diese Herausforderung.

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Zieleinlauf von Manuela Dietzinger beim Istria 100 by UTMB im April 2024

Trailrunning-Jahresplanung ist bei mir manchmal so eine Sache. Optimalerweise beginnt man sie für das kommende Jahr Ende November und schließt sie im Dezember ab. Naja, ich hab`s mit neuem Job und weshalb auch immer einfach verdaddelt. Somit hatte ich bis Anfang März absolut keinen Plan, was und wo ich laufen will. Im letzten Jahr war mein Ziel Österreichische Speedtrail-Meisterin zu werden schnell gesetzt.

„Warum nicht gleich zum Saisonbeginn einen Haken hinter das Trailrunning-Jahresziel machen?“

In diesem Jahr musste deshalb wieder eine Langdistanz her. Warum nicht gleich mein erster Hunderter? Das Problem: Ich mag einfach nicht im Dunkeln starten. Mein Biorhythmus sagt: „Ich geh dann mal um 21:00 Uhr schlafen – und tschüss!“ Also musste ein 100er mit Start am Morgen her.

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Startbereich Istria 100 by UTMB | Foto: Sportograf

Der Istria 100 by UTMB am 6. April 2024 schien perfekt! Mit Kroatischen Wurzeln wäre das ja mit Heimvorteil schon eine geritzte Sache. Auch wenn der Trainer nicht ganz der Ansicht war, hat er mir meinen Trainingsplan hochgeschraubt und ich habe meine Kamikaze-Race-Planung begonnen. Das Training war intensiv und ich als Übermotivierte mit vielen extra Kilometern (wie z.B. 2 Wochen vorher mal kurz 71km im Training zu laufen) – kann nur funktionieren!

Außerdem musste geklärt werden: Was esse ich davor, während, danach? Brauche ich neue Schuhe und einen Rucksack? Und verdammt nochmal, warum sind zwei Stirnlampen mit je einem Ersatz-Akku in der Pflichtausrüstung? Fragen über Fragen und so wenig Vorbereitungszeit!

Vor dem Race

Bereits vier Tage vor dem Race ging es mit Vorfreude und auch mega viel Muffensausen an den Ort des Geschehens, nach Umag, einer malerischen Küstenstadt in Istrien, Kroatien. Einem Städtchen das mit seiner reichen Geschichte, engen Gassen, mittelalterlichen Mauern und historischen Kirchen aufwarten kann. Die 45km lange Küstenlinie begeistert mit kristallklarem Wasser und einer Vielzahl von Stränden.

Istria 100 by UTMB

Nicht nur die Kulinarik mit viel Fisch kann sich sehen lassen und macht Umag zu einem einzigartigen Reiseziel am Mittelmeer, sondern auch die Fülle von möglichen Outdooraktivitäten, wie Tennis, Mountainbike, Rennrad und natürlich auch (Trail-)Laufen. Und das in einer relativ überschaubaren 5,5 Stunden langen Autofahrt von München aus.

„Tapering ist alles!“

Wie einige Eliteläufer waren auch wir im sehr sympathischen, modernen und sehr freundlichen Hotel Sipar Plava Laguna, mit Pool und richtig tollem Läufer-Frühstücksbuffet untergebracht, nur 15 Minuten Fußweg vom Eventgelände und Stadtzentrum entfernt. Dazu gab es vom Hotel halbstündliche Shuttles. Also perfekt für die Regeneration eines Läufers. Vor so einem langen Wettkampf ist vor allem mentale und physische Entspannung essenziell. Nicht viel Rumlaufen und einen auf Action und Auspowern machen.

Istria 100 by UTMB

Also ging es am Bad-Weather-Day auf einen Besuch zur historischen Altstadt Motvoun, inklusive Trüffel- und Streckencheck (110km und 100-Meiler gehen auch hier vorbei), bisschen Rennradln, Carboloading, Shakeout-Run sowie Startnummern-Abholung, Expo und Elite-Läufer-Präsentation. Dort fragte der Moderator Keith Byrne, den ich bereits beim Mexico Puerto Vallarta UTMB herzlich kennengelernt hatte, nach den Fun Fact der Pro-Athleten. Mein liebster Fun-Fact: Esther Fellhofer kann, wie ich auch keine Gels während des Rennens futtern. Ihre Energy-Favoriten sind ganz simpel: Käse, Speck und Balisto!

Istria 100 by UTMB

It’s Raceday!

Auch wenn mein Abenteuer bereits bei Vorbereitung zu meinem ersten 100er vier Wochen zuvor begann, war der offizielle Start für meine 110km und 4.000 Höhenmeter am 6. April um 7:00 Uhr in Buzet. Mit dem Shuttle ginge es eigentlich ganz easy von Umag direkt zum Start. Da ich aber vor dem Wettkampf jede Sekunde zur Erholung nutze und meinen privaten Chauffeur dabeihatte, konnte ich locker 30 Minuten länger schlafen und im Auto frühstücken.

Für mich persönlich ein großer Vorteil, da ich dann noch einmal in Ruhe die Strecke durchgehen und mich konzentriert auf das Rennen einstellen kann. Nach ca. 1h erreichten wir den Parkplatz, der direkt am Startplatz war. Viele Läufer, ein Moderator, motivierende Musik und Trommler hoben die Stimmung und auch meine Aufregung. Einlaufen, Bekannte begrüßen, kurzer Plausch mit Janosch Kowalczyk (es ist immer schön vertraute Gesichter zu treffen #onefamily #adidasterrex). Vor allem auch das Treffen mit Pro-Athletin Claudia Rosegger – ebenfalls eine der Favoritinnen des Rennens und mein absoluter Herzensmensch – hat ich mich sehr gefreut und positiv auf das Rennen eingestimmt.

Istria 100 by UTMB

Mein längster (Wett-) Kampf

Die ersten Kilometer führten uns durch die Gassen von Buzet, vorbei an alten Steinhäusern und duftenden Cafés. Die Atmosphäre war unglaublich! Aufregend und entspannt zugleich. Ballern ist in diesem Wettkampf für mich nicht angesagt, es heißt dieseln und möglichst in 16-18h durchkommen. Mein Ziel war es vor 22:00 Uhr in Umag anzukommen. Bis dahin war die Moderation von Keith Byrne in der Altstadt noch erlaubt.

Auffi gings und langsam wurde mein Vorhaben Tatsache, als ich in der ersten Steigung die Stadt hinter mir ließ und 14,8 km und 660hm auf einer Forststraße bis zur ersten Verpflegungsstation nach Prapocé in Angriff nahm. Jetzt hieß es sich zusammenreißen und nicht over-pacen. Das eigentliche Rennen sollte erst nach 42km im „Flachen“ beginnen. Bis dahin lief alles noch wunderbar – in einer schönen mediterranen Landschaft und toller Begleitung von über 400 Läuferinnen und Läufern.

Istria 100 by UTMB

Manuela Dietzinger bei ihrem ersten Hunderter | Foto: Sportograf

Die nächsten 11,6 km und 676 hm nach Trstenik waren für mich super anstrengend und ich fühlte mich plötzlich energielos. Entweder war ich dann doch zu schnell unterwegs oder ich hatte einfach zu wenig Energie zu mir genommen. Meine Herzfrequenz war im perfekten Bereich, aber die Hitze enorm. Es war mit um die 25-30 Grad um die Mittagszeit wesentlich heißer als angesagt.

Die zwei Gipfel waren dennoch wunderschön! Leicht alpin angehaucht und mit traumhaftem Ausblick. Der Downhill sogar technisch einwandfrei – perfekt für mich. Wäre da nicht die falsche Schuhwahl gewesen. Ich fühlte jeden Stein durch die Sohle, als wären es Nadeln und auch mein großer Zehennagel machte sich bemerkbar.

Istria 100 by UTMB

Egal – nur 15,3km bis nach Buzet (Kilometer 42) zu einer warmen Mahlzeit, meinem Lieblingsfood, Wechselkleidung und Wechselschuhen. Dort hatte ich nämlich mein Spare-Bag gelagert. Hier verbrachte ich tatsächlich über 30 Minuten und schlug mir erstmal den Bauch mit Energie in Form von Nudeln, Kartoffeln, Reis, Apfelstrudel und literweise Wasser voll. Unter uns: die ersten flachen Kilometer danach waren furchtbar, aber am Berg war ich wieder voll dabei.

Istria 100 by UTMB

Meine Reise führte mich weiter über 8 kleine Hügel nach Botoniga (58,5km) über enge Gassen und zum Teil auch steile Anstiege. Inzwischen war es brennend heiß geworden und hier und da waren schon die ersten „Schlafleichen“ am Trail-Streckenrand zu erblicken. Für mich kommt ein Power-Nap nicht in Frage – da würde ich nie wieder weiterlaufen können.

Dann flott vorbei an Motavun bis nach Livade, beides charmante Dörfchen, die für ihre Trüffel bekannt sind. Es waren 74km geschafft. Hier fühlte ich mich eigentlich nur noch leer. Der letzte Kilometer auf Asphalt wollte nicht enden und die Sonne hing schon tief am Horizont.

Istria 100 by UTMB

Die Beinchen waren noch fit, aber die Energie schwand immer mehr und mein Körper zwinkerte mir mit dem Schlafmodus zu. Gut, dass mein Mann hier als Support auf mich wartete. Noch einmal umziehen, Chips und Süppchen an der Verpflegungsstation. Auch ein paar Leckerlies, wie Pizza vom Lidl und Snickers (Danke @Anke für den Tipp) waren meine persönlichen Retter. Aber besonders wertvoll waren die Worte meines Mannes: „Du schaffst das easy! Nur noch ein Marathon!“ #scherzkeks

Istria 100 by UTMB

Der Weg von Livade nach Groznjan mit insgesamt 15,4km war für mich besonders fordernd. Es wurde dunkel, kalt und das Läuferfeld zog sich immer mehr auseinander. Leider blieb mir in der Dunkelheit auch die Aussicht von malerischen Hügeln über Groznjan verwehrt.

An der Verpflegungsstation in Groznjan, an dem auch der Start der 21k Distanz ist, ging für meinen Magen leider nur noch Tee. Dieser fühlte sich aber unglaublich gut an. So, jetzt nur noch runterrollen. Von wegen – zu früh gefreut!

Die letzten 21 Kilometer waren eine wahre Prüfung meiner Ausdauer und Willenskraft. Definitiv bester „Mentalfuck“: 21 zähe Kilometer, vorbei an Buje, über Asphalt, Forststraßen und einem schier endlosen Wiesenweg, welcher sich vor mir in der absoluten Dunkelheit erstreckte.

Istria 100 by UTMB

Ich kämpfte mich gegen die aufkommende Erschöpfung an – um mich herum nichts außer Wiese und Hundegebell – zum Ziel nach Umag durch. Schritt für Schritt, 300m laufen, 300 m gehen. Als ich schließlich die Lichter von Umag selbst in der Ferne sah, spürte ich eine Welle der Erleichterung.

In der Altstadt angekommen ging es an der Promenade vorbei, an geschlossenen Cafés und Restaurants. Es war bereits 2:10 Uhr morgens und dementsprechend ruhig. Die verbliebenen Zuschauer entlang der Strecke jubelten mir aber herzlich zu, und ich ließ mich von ihrer Energie tragen, während ich meine letzten Kräfte für einen finalen Sprint sammelte.

Als ich nach 111,5km und 4.335 Höhenmetern in 19:41 Stunden (Platz 11 AK, Platz 35 Damen, Platz 222 OVA) endlich den Zielbogen durchquerte, zitterten meine Beine. Weniger vor Erschöpfung, mehr durch die Aufregung, Stolz und Freude es geschafft zu haben: Meine Challenge den 111km Ultralauf des Istria 100 by UTMB mit einer minimalen Vorbereitungszeit gemeistert zu haben.

Während ich mich in meinen verdienten Schlaf fallen ließ, wusste ich, dass diese Erfahrung mich für immer verändern würde. Denn ich hatte nicht nur ein Rennen absolviert, sondern eine ganz besondere Reise durch meine eigenen Grenzen und darüber hinaus. Bis zum nächsten Abenteuer, wo auch immer es mich hinführen mag!

Der sonnige Sonntag danach fiel sehr entspannt aus. Ausschlafen, Food-Reload am reichhaltigen Frühstückbuffet, Kaltwasser-Recovery im Pool, das volle Programm EMS und Reboot, Blackroll und natürlich Siegerehrung. Auch wenn ich dieses Mal nicht auf dem Treppchen stand, durfte ich mir das Spektakel nicht entgehen lassen.

Istria 100 by UTMB

Die Gewinner

Beim 110er der Männer gab es einen Doppelsieg der adidas TERREX Athleten zu feiern:

  1. Janosch Kowalczyk aus Deutschland mit neuem Streckenrekord von knapp 10 Stunden
  2. Teamkollege Pablo Villa Gonzales aus Spanien folgte auf Platz 2. Ob es wohl an den neuen Agravic Speed Ultra von Terrex lag?
  3. Paul Capell aus Spanien konnte den 3. Platz ergattern

Die Gewinnerinnen

  1. Die Tschechin Monika Stejskalove auf Platz 1
  2. Platz 2 die Portugiesin Inés Marques und
  3. Platz 3 der Damen holte Biborka Krisztina Fazakas

Bei den 100 Meilern war es bei den Frauen besonders spannend. Favoritinnen waren Ida-Sophie Hegemann aus Deutschland, Esther Fellhofer (Österreich) und die Italienerin Allesandra Boifava, die sich nach dem Ausscheiden von Esther und dem Unfall von Ida-Sophie, bei dem sie von einem Hund in die Achillessehne gebissen wurde und deshalb stürzte, mit der Zeit von 20:57 h an die Spitze kämpfte. Ida-Sophie wurde in der Zeit von 21:27 h zweite und Claire Bannwarth holte sich somit den dritten Platz.

Alle Ergebnisse der fünf Distanzen findet ich hier.

Istria 100 by UTMB

Mein Fazit

Der Istria 100 by UTMB ist ein absolut top organisiertes Event. Bestes Laufwetter, wenn man nicht dehydriert war. Der 110-er ist gut machbar, da laufbar und überwiegend auf Forststraßen, angereichert mit viel Schotter, mit kleinen technischen Downhills, auf den ersten 42 Kilometer, die auch richtig viel Spaß machen. Danach folgt der flache Part mit der Tendenz zur mentalen Resilienz-Maximierung. Positiv überrascht war ich über die makellose Markierung. Lediglich bei den Verpflegungsstationen haben mir Kartoffeln, Kuchen und auch Äpfel sowie auch eine zweite Station mit warmem Essen gefehlt.

Istria 100 by UTMB

Highlights, Tipps und Ausflugsmöglichkeiten

In der Nähe von Umag für den Urlaub rund um den Istria 100:

Motovun thront majestätisch auf einem Hügel und begeistert mit seinen kopfsteingepflasterten Straßen, historischen Gebäuden und einer gut erhaltenen Stadtmauer. Der Panoramablick auf die umliegende Landschaft ist atemberaubend, und das jährliche Filmfestival zieht internationale Filmemacher und -liebhaber an.
Mein persönliches Highlight: Trüffel! Gibt es hier in Istrien reichlich. Besonders in den umliegenden Wäldern! Das macht Motovun zu einem kulinarischen Hotspot, der auch in Touren erkundet werden kann.

Grožnjan, als „Die Stadt der Künstler“ bekannt, bezaubert mit über 25 Kunstgalerien und einer reichen Geschichte. Die mittelalterliche Architektur und die malerische Landschaft, bestehend aus Weinbergen und Olivenhainen machen einen Besuch unvergesslich.

Die kulinarische Szene in Istrien ist herausragend, mit ihrem Schwerpunkt auf Qualität. Ob Trüffel, Wein oder Olivenöl – die Region ist stolz auf ihr reichhaltiges Angebot.

Für Feinschmecker ist das Restaurant „Konoba Zijavica“ im schönen Fischerdorf Mošćenička Draga ein Muss. Mit hervorragender mediterraner Küche und einem atemberaubenden Blick auf das Meer. Für Spirituosenliebhaber ist die Destillerie Aura ist ein Pflichtstopp. Bekannt für hochwertige Liköre und Spirituosen wie den „Teranino“ und den traditionellen „Biska“ Mistelschnaps.

Weitere lohnenswerte Ziele in Istrien sind Labin, Buzet und Buje, die alle ihren eigenen Charme, Attraktionen und kulinarische Highlights bieten und zudem auch jeweils Verpflegungsstationen beim Istria 100 sind.

@Trail.icious persönlicher Tipp: Istrien ist vor allem in der Nebensaison empfehlenswert. Weniger Touristen, mehr Entspannung und mehr Trüffel für unsereiner.

Danke Istria 100 by UTMB für die Einladung und das tolle Erlebnis bei euch!

Mein Fun-Fact zum Schluss: Unglaublich aber wahr, aber ich hatte tatsächlich keinen Muskelkater danach und mein großer Zehennagel lebt auch noch! 30km im Wanderbär-Tempo reichen wohl für eine adäquate Regeneration der Beine aus!

Autorin: Manuela Dietzinger

Fotos: Manuela Dietzinger, Sportograf

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