Grün denken bei Laufveranstaltungen

Für uns Läufer sind sie das Highlight der Saison, für die grüne Umwelt eine enorme Belastung. Großveranstaltungen verursachen Energie, Müll und Unmengen an CO2. Doch Veranstalter kennen das Problem und denken zunehmend um. Ein Interview mit Renndirektor Jo Schindler, für den das Thema Nachhaltigkeit bei der Organisation des Frankfurt Marathons seit vielen Jahren eine zentrale Rolle spielt.

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Mainova-Frankfurt-Marathon-2020

Nachhaltigkeit bei Großveranstaltungen

Wiebke: Sind klimaneutrale Großveranstaltungen ein realistisches Ziel oder utopisch?

Jo Schindler: Komplett klimaneutral zu sein, ist undenkbar. Wenn man eine klimaneutrale Großveranstaltung haben möchte, müsste man sagen, dass sie nicht stattfindet. Man verursacht immer Dinge, aber man kann Vieles besser machen als es üblicherweise geschieht. Als Veranstalter eines Marathons kann man als Katalysator wirken und die soziale Verantwortung gegenüber den Teilnehmern nutzen, um diese darauf aufmerksam zu machen nachhaltig zu handeln.

Wiebke: Wie sieht das Nachhaltigkeitskonzept des Frankfurt Marathons aus?

Jo Schindler: Seit 15 Jahren arbeiten wir daran umweltfreundliche Lösungen herbeizuführen, den CO2-Abdruck zu reduzieren und Energie einzusparen. Das definiert sich in verschiedenen Bereichen: Wir verzichten zum Beispiel auf die Erwärmung des Duschwassers mit Dieselaggregaten, unsere Verpflegung ist biozertifiziert und wir bieten durchgehend Mineralwasser für die Teilnehmer an. Es sind verschiedene Handlungsfelder, in denen wir uns aufgemacht haben, grüner und nachhaltiger zu werden.

Wiebke: Können Sie sich noch an die Anfänge erinnern?

Jo Schindler: Eine unserer ersten Ideen war es, die Energie, die wir am Marathonwochenende verbrauchen, über das Jahr hinweg durch Sonnenenergie wieder zu gewinnen. Deswegen haben wir auf dem Gebäude unseres Partners Mainova eine Solaranlage installiert, die von Mainova betrieben, aber von uns finanziert wird. Das war der Startpunkt und die bewusste Entscheidung sich als Marathonveranstalter der gesellschaftlichen Verantwortung zu stellen.

Wiebke: Welche Herausforderung bringt die nachhaltige Organisation und Umsetzung eines Marathons mit sich?

Jo Schindler: Natürlich entstehen höhere Kosten. In den letzten Jahren haben wir rund 250.000 Euro für klimafreundliche Maßnahmen ausgegeben. Der Gedanke der Nachhaltigkeit spielt für uns eine große Rolle und wir möchten einen klaren Fußabdruck hinterlassen – deswegen investieren wir das Geld in diesem Bereich und positionieren uns mit einem nachhaltigen Konzept.

Wiebke: Ein Symbolbild für die massive ökologische Belastung, die ein Marathon verursacht, sind die weggeworfenen Plastikbecher auf den Straßen. Gibt es hierfür bereits Lösungen?

Jo Schindler: Dieses Bild wird bleiben, aber die Art des Bechers ändert sich. Vor allem in den letzten Jahren findet man für dieses Problem viele offene Ohren. Wir arbeiten zum Beispiel mit Sponsoren zusammen, die Becher aus nachhaltigem Material zur Verfügung stellen und im Gegenzug darauf ihren Werbeaufdruck platzieren. Um Müll zu reduzieren, beteiligen wir uns außerdem an der Idee, die Wärmeklamotten vor dem Start nicht in üblichen Plastiktüten zu verpacken, sondern appellieren an die Läufer alte Kleidung zu tragen, die dann von uns eingesammelt und weitergebeben wird.

Wiebke: Würden Sie sich von anderen Veranstaltern mehr Nachhaltigkeit in der Organisation wünschen?

Jo Schindler: Jeder Marathon hat seine persönliche Denke und andere Präferenzen. Die einen geben Gelder für Top-Athleten aus, andere möchten ihren Teilnehmern bei der Verpflegung etwas Besonderes anbieten. Ich glaube, dass das Thema Nachhaltigkeit – schon allein wegen gesetzlicher Auflagen, wie dem Plastikverbot – in absehbarer Zeit verstärkt auf uns alle zukommt. Deswegen ist jeder von uns aufgefordert, sich Gedanken zu machen und zu überlegen, wie man damit umgeht. Keine Veranstaltung ist von heute auf morgen 100 Prozent nachhaltig, aber das verlangt auch keiner. Entscheidend ist, dass man Maßnahmen trifft, die glaubwürdig sind und Schritt für Schritt möglich macht, was möglich ist.

Wiebke: In welchen Bereichen sehen Sie noch Potenzial für eine nachhaltigere Gestaltung von Großveranstaltungen?

Jo Schindler: Wir sind an vielen Punkten mittlerweile so weit fortgeschritten, dass es weniger an unseren Mühen, sondern vielmehr an den verfügbaren Produkten liegt. Für viele Probleme gibt es noch keine Lösungen, zum Teil sind Industrie und Forschung noch nicht weit genug. Deshalb müssen wir auf die umweltfreundlichsten Produkte zurückgreifen, die zurzeit angeboten werden.

Wiebke: Welchen Beitrag können Läufer leisten, um die Teilnahme an einem Marathon möglichst umweltverträglich zu gestalten?

Jo Schindler: Vor allem durch die An- und Abreise der Teilnehmer entsteht eine große ökologische Belastung, die wir als Veranstalter nicht kompensieren können. Deswegen setzen wir hier auf die Läufer und hoffen, dass sie selbst Verantwortung übernehmen. Für uns wäre es wünschenswert, wenn das Thema noch mehr Beachtung erfährt und Läufer sich bewusst dazu entscheiden, an einem nachhaltigen Event teilzunehmen, auch wenn sie dafür etwas mehr zahlen müssten.

Autorin: Wiebke Knoche

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