Beiß nicht die Zähne zusammen!

Warum unsere Zähne unsere Leistung beim Laufen beeinflussen

Luisa Hellriegel ist Stabhochspringerin, studiert Medizin und steht morgens immer früh auf, um mit einem Lauf frisch und munter in den Tag zu starten. Neben der Liebe zum Sport, einer großen Portion Humor und dem Wohnort Leipzig teilen wir aber auch eine ziemlich schmerzhafte Erinnerung: Wir haben beide ein Jahr wegen unserer Zähne verloren. Jedenfalls fühlt es sich so an….

Ein Interview mit der Stabhochspringerin, begeisterten Läuferin und angehenden Zahnärztin Luisa Hellriegel.

Beiß nicht die Zähne zusammen Luisa Hellriegel hatte lange Zahnprobleme und Leistungseinbrueche

Tabitha: „Wie und wann hast du eigentlich mit dem Leistungssport angefangen?“

Luisa: „Ich hatte das große Glück, mich als Kind in Allem ausprobieren zu dürfen, vom Schwimmen, über Reitsport bis zur Leichtathletik. Zum Stabhochsprung bin ich aber erst später über den Siebenkampf gekommen. Ich hatte aber auch viel Glück: zum Beispiel, dass ich nach dem Abi mit dem Sport ein Vollstipendium in den USA bekommen habe, das hat mich enorm weitergebracht.“

Tabitha: „Wie wichtig ist das Laufen für dich?“

Luisa: „Ich bin schon immer gern gelaufen. Vielleicht ist ein Grund dafür, dass ich am Meer aufgewachsen und als Kind regelmäßig mit meiner Mutter am Strand herumgerannt bin. Laufen hat für mich viel mit Freiheit zu tun und mit Energie. Wenn ich morgens aufstehe, ist es das erste was ich tue – um wach zu werden, um Kraft für den Tag zu tanken.“

Tabitha: „Stabhochsprung ist ja nicht gerade ungefährlich – ein Sport, vor dem ich viel Respekt habe. Hattest du nie Angst, dass mal was passiert?“

Luisa: „Als Kind und Teenager habe ich mir ehrlich gesagt nie wirklich Gedanken darüber gemacht, ich war furchtlos. Aber dann habe ich mich doch bei einem Trainings-Sprung am Rücken verletzt. Da verzeiht der Stabhochsprung leider wenig, wenn es mal schief geht, dann tut es ordentlich weh. Und nachdem die Verletzungen ausgeheilt waren, blieb mir immer eine gewisse Angst im Nacken. Diese Angst hat viel verändert – auch was meine Leistungsfähigkeit betrifft. Es war einfach nicht mehr wie vorher.“

Tabitha: „Wir haben beide ein Jahr unseres Lebens mit starken Schmerzen in den Füßen bzw. Beinen verbracht, die letztendlich mit unserem Kiefer zu tun hatten. Kannst du mal beschreiben, was genau passiert ist und wie du schließlich herausgefunden hast, wo die Ursache liegt?“

Luisa: „Mit etwa 16/17 Jahren hatte ich leider eine sehr lang andauernde Verletzung meiner Achillessehne. Es fing damit an, dass ich nach dem Training eine Verdickung meiner linken Achillessehne bemerkte. Zunächst war sie wirklich nur ein wenig geschwollen und ich dachte es wäre einfach eine Überlastung von der harten Trainingswoche. Nichts Unübliches, schließlich tut es immer überall ein bisschen weh.

Ich habe es mit Dehnung meiner linken Wade und mit Quark-Wickeln probiert, um die Schwellung aus der Achillessehne zu bekommen. Das Gewebe rund um meine Ferse war so entzündet, geschwollen und voller Ablagerungen, dass es bei jeder Bewegung regelrecht knirschte. Nachdem sich das Ganze auch über Wochen der Ruhe nur minimal besserte – und an Springen und Sprinten gar nicht mehr zu denken war – musste eine andere Lösung her.“

Tabitha: „Wie kamt ihr dann darauf, dass der Kiefer eine Rolle spielt?“

Luisa: „Mein Physiotherapeut und Osteopath machten sich schon länger Sorgen. Schiefstand von Kopf und Hals über Hüfte bis hin zu meinen Füßen gehörten zur Tagesordnung. Deswegen gingen sie ihrer Vermutung nach, dass meine verspannte Kiefermuskulatur dahinterstecken könnte. Die Zusammenarbeit mit meinem Zahnarzt, welcher mir eine entsprechende Schiene anfertigte, die ich zu Beginn fast immer, und bis heute über Nacht trage, brachte letztendlich innerhalb von 3 Monaten die ersehnte Besserung.

Die Ursache war also endlich gefunden, ein Fehlbiss meiner Zähne und Kiefer, hatten dazu geführt, dass sich meine Kiefermuskulatur verspannte, was sich wiederum auf Hals und Rücken auswirkte, zu einem Fehlstand meiner Hüfte führte und eine Entzündung meiner Achillessehne hervorrief. Mein Osteopath brachte meinen Körper von Kopf bis Fuß wieder in richtige Bahnen, löste blockierte Gelenke und Verspannungen.

Mein Physiotherapeut übernahm die dauerhafte Behandlung meiner Muskulatur und mein betreuender Sportarzt spritzte den dauerhaft verhärteten Musculus soleus, damit sich dieser endlich einmal entspannte. Ausschlaggebend waren letztendlich mein Osteopath und Physiotherapeut, die meinen Körper als Ganzes im Auge hatten und nach der Ursache und nicht nur nach Therapien gesucht haben.“

Tabitha: „Was hat geholfen und was nicht – und wie lange hat es gedauert, bis du wieder schmerzfrei warst?“

Luisa: „Alleine kam ich einfach nicht mehr weiter. Alle Hausmittel, Ruhe und Dehnung, Ultraschall und Stromgenerator half am Ende nichts und das hat mich verzweifeln lassen. Es brauchte also sehr viel Geduld und hat am Ende fast ein Jahr angedauert bis ich wieder schmerzfrei Stabhochspringen konnte. Für jeden Sportler eine Ewigkeit.“

Tabitha: „Was macht das mit uns, wenn wir uns ständig auf die Zähne beißen?“

Luisa: „Das ständige aufeinander Pressen und Knirschen unserer Zähne führt nicht nur dazu, dass wir unsere Zähne an sich stark beanspruchen und abnutzen. Sondern eben auch dazu, dass wir unsere gesamte Muskulatur in Disbalance bringen. Die Schienen schützen natürlich zum einen den Zahn an sich, zum anderen kann man mit gut angefertigten Schienen erhebliche Fehlstellungen ausgleichen. Starke Kopfschmerzen, nach einer Nacht starken Pressens und Knirschens, waren bei mir an der Tagesordnung.“

Tabitha: „Man sagt, Läufer hätten keine guten Zähne. Hast du eine Idee, woran das liegen könnte?“

Luisa: „Na ja, wirklich schlechtere Zähne kann man das nicht nennen. Ja, es gibt einige Studien, die besagen, dass die Zähne bei Sportlern stärker von Karies befallen seien, da nach anstrengenden Sporteinheiten der Energiespeicher wieder aufgefüllt werden muss und viele auf Zucker und Kohlenhydrate zurückgreifen. Genauso soll durch die Mundatmung beim Laufen der Mund verstärkt austrocknen und damit einen guten Nährboden für Bakterien und letztendlich Karies bieten. Aber wenn wir mal ehrlich sind, sind dies alles Parameter, die man selbst beeinflussen und ändern kann. Also meiner Ansicht nach muss man sich bei guter Mundhygiene und bewusster Ernährung keine Sorgen machen.“

Tabitha: „Nun wirst du selbst Zahnärztin und hast daher ein gutes Fachwissen, was würdest du Läufern raten, wie sie ihre Zähne gut behandeln?“

Luisa: „Ich denke so außergewöhnlich anders als andere braucht man seine Zähne als Sportler nicht behandeln. Man muss sich nur darüber im Klaren sein, dass die Kraft und Anstrengung bei eigentlich allem was man tut, sehr häufig über Kiefer und Zähne übertragen wird. Die Kiefermuskeln gehören zu den stärksten Muskeln unseres Körpers und wenn diese ungehindert walten und vor allem unbeachtet bleiben, kann das zu weitreichenden Folgen in unserem komplexen Körper führen. Das schließt auch den kleinen Zeh nicht aus.“

Tabitha: „Was würdest du anderen gerne aus deiner Erfahrung mitgeben?“

Luisa: „Ich finde es immer ganz wichtig nicht zu vergessen, dass es neben den scheinbar offensichtlichen Ursachen auch noch andere Parameter gibt, die unseren so komplexen Organismus aus der Bahn werfen können. Es hat sich über lange Strecken dieser Verletzung für mich angefühlt, als würde einfach nichts mehr helfen. Keine der tollen Therapien, die doch sonst immer so gut funktioniert haben… aber manchmal braucht es einfach den Blick über den Tellerrand hinaus und vor allem eine gute Zusammenarbeit aller Beteiligten. Der einfache Ratschlag: “Beiß nicht die Zähne zusammen“ kann sicher vielen weiterhelfen.”

Zur Person:

  • Name: Luisa Hellriegel
  • Geboren in: Schwerin
  • Studium: Zahnmedizin in Leipzig
  • Verein: LAZ Leipzig
  • Größte Erfolge: Landesmeisterin, Norddeutsche Meisterin, Deutsche Meisterin U16, 2. Platz Deutsche Meisterschaft U18
  • Trainingsumfang: ca. 3 Stunden pro Tag plus Laufeinheit

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