Die Zukunft is(s)t pflanzlich

„Es gibt keine Alternative zu einer weitgehend pflanzenbasierten Ernährung“, sagt Dr. Markus Keller, Ernährungswissenschaftler und Leiter des Instituts für vegane und nachhaltige Ernährung. „Alle, die ihren Fleischkonsum heute schon deutlich reduzieren oder gar vegetarisch oder vegan leben, sind auf dem richtigen Weg.“

Veggan bruschettas

Pflanzenbasierte Ernährung: Die Bedeutung unserer Ernährung für die Umwelt

1,3 Millionen Menschen ernähren sich rein pflanzlich

Laut einer Umfrage von ProVeg verzichten in Deutschland derzeit rund acht Millionen Menschen auf Fleisch. Das sind ca. zehn Prozent der Bevölkerung. 1,3 Millionen Menschen ernähren sich rein pflanzlich, das heißt vegan. Sie verzichten nicht nur auf Fleisch, sondern auf jegliche Nahrungsmittel tierischen Ursprungs, wie zum Beispiel auf Eier oder Käse. Hinter diesen alternativen Ernährungsformen steht oftmals das Bewusstsein, der Umwelt sowie der eigenen Gesundheit etwas Gutes zu tun. „Eine rein pflanzliche Ernährung ist deutlich weniger klimabelastend, benötigt erheblich weniger Ackerfläche und weitere Ressourcen“, sagt Keller und eröffnet ein Gedankenexperiment: „Würden wir die heute an Nutztiere verfütterten Ackerfrüchte wie Getreide oder Soja direkt für die menschliche Ernährung nutzen, könnten wir sofort vier Milliarden Menschen mehr ernähren.“ Dies habe ein Team aus Wissenschaftlern der University of Minnesota berechnet. Um in den nächsten dreißig Jahren die bis dahin lebenden zehn Milliarden Menschen dieser Erde weiterhin mit gesundheitsfördernden Lebensmitteln zu versorgen, ohne die natürliche Lebensgrundlage zu gefährden, könne Fleisch nur noch eine gelegentliche Beigabe des Speisezettels sein, so der Ernährungswissenschaftler.

„Lass-die-Sau-raus Würstchen und Co.

„Es ist durchaus möglich, dass im Jahr 2045 etwa 80 Prozent des Fleischs auf pflanzlicher Basis hergestellt wird“, lautet die Prognose von Jaap Kortewegs. Der holländische Metzger hat den Zukunftsmarkt der sich verändernden Ernährungsgewohnheiten bereits früh erkannt. Seit 2010 bietet er unter dem Namen „The Vegetarian Butcher“ vegetarische Fleischalternativen an. Sein Ziel: Tiere aus der Nahrungskette befreien und eine Revolution im Ernährungsverhalten auslösen – zum Schutz des Tierwohls und zur Erhaltung des Planeten. „Ich will Fleischliebhabern zeigen, dass sie ohne tierisches Fleisch nichts verpassen“, sagt Kortewegs. Seine „Lass-die-Sau-raus Würstchen“ werden genau wie die „Beflügel-Nuggets“ auf Grundlage von Hülsenfrüchten und Getreide hergestellt und ähneln tierischem Fleisch in Geschmack und Struktur.

Keine Kompromisse beim Genießen eingehen und gleichzeitig Umwelt und Gesundheit schützen – diese Idee trieb vor einigen Jahren auch Timo Recker an, Fleischersatzprodukte zu entwickeln. „Ich wollte sichergehen, dass man direkt neben seinem Kumpel ein Erbsen-Würstchen auf den Grill werfen und darauf stolz sein kann“, so der Gründer von LikeMeat. Für seine veganen Produkte verwendet er hauptsächlich Bio-Soja, zum Teil auch Erbse. Beide Grundzutaten sind extrem protein- und ballaststoffreich und haben neben dem ökologischen damit auch einen gesundheitlichen Vorteil. „Ein langfristig hoher Fleischkonsum ist mit einem erhöhten Risiko für chronische Erkrankungen wie Adipositas, Diabetes Typ 2 oder Dickdarmkrebs verbunden“, sagt Dr. Markus Keller. „Fleischalternativen enthalten meist weniger Gesamtfett und gesättigte Fettsäuren als die tierischen Originalprodukte.“

Risiken reduzieren

Studien zeigen, dass Vegetarier und Veganer grundsätzlich ein geringeres Risiko für ernährungsassoziierte Erkrankungen, wie Übergewicht, Krebs oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen haben. „Diese Effekte bleiben übrigens bestehen, auch wenn der meist insgesamt gesündere Lebensstil dieser Menschen herausgerechnet wird“, sagt Keller. Sowohl aus ökologischen Gründen als auch für die Gesundheitsvorsorge sei eine pflanzenbasierte Ernährung demnach ausdrücklich zu empfehlen. Der Experte weist aber auch darauf hin, dass die Grundlage dieser Ernährungsform vor allem frische, möglichst gering verarbeitete Lebensmittel wie Gemüse, Obst, Vollkornprodukte, Kartoffeln, Hülsenfrüchte und Nüsse sein sollten. „Vegane Fleisch- und Wurstalternativen bieten sich als Ergänzung und Abwechslung an und können oft die Umstellung auf eine pflanzliche Ernährung erleichtern“, sagt Keller.

Alles drin, was man braucht

Ein Mangel an bestimmten Nährstoffen entsteht – wie gerne befürchtet – beim Verzicht auf Fleisch prinzipiell nicht, sofern die pflanzliche Lebensmittelauswahl vollwertig und abwechslungsreich ist. Eine Ausnahme bildet Vitamin B12, das unbedingt ergänzend eingenommen werden muss. „Auch bei einer vegetarischen Ernährung reicht die Vitamin-B12-Zufuhr über Milchprodukte und Eier oftmals nicht aus, sodass auch hier eine Supplementierung empfehlenswert ist“sagt der Ernährungswissenschaftler Keller. Ansonsten lassen sich wichtige Nährstoffe, wie Omega-3-Fettsäuren bei einer Mischkost-Ernährung zum Beispiel in Seefisch finden, Veganer können diese durch den Verzehr von Mikroalgenöl zuführen. Unabhängig von der Ernährungsform empfiehlt der Experte, in den sonnenarmen Monaten von Oktober bis März Vitamin D zu supplementieren.

Wer intensiv Sport betreibt, sollte seine Energie- und Nährstoffzufuhr entsprechend anpassen. Hier ist unter anderem auf eine ausreichende Aufnahme von Protein, Vitamin B1, B2 und B6 sowie Eisen und Niacin zu achten. Zudem gehen durch das Schwitzen beim Sport Elektrolyte wie Natrium, Kalium, Magnesium und Kalzium verloren, die durch die Nahrung und eine entsprechende Flüssigkeitszufuhr wieder ausgeglichen werden sollten. „Auch für Sportler gilt eine pflanzenbasierte vollwertige Ernährung jedoch als erste Wahl“, so Keller.

Verzicht ist nicht Verlust

Wo für Ernährungswissenschaftler und Fleischersatzhersteller die Entscheidung bezüglich der richtigen Ernährungsform längst getroffen ist, liegt es am Ende an jedem Einzelnen von uns, die eigenen Ernährungsgewohnheiten zu reflektieren und zu verändern. Gründe dafür gibt es genug, Alternativen auch. Und vielleicht hat Timo Recker recht, wenn er fragt: „Warum sollte es neben Rinder-, Hühner- oder Schweinefleisch nicht eine weitere Kategorie mit Namen Pflanzenfleisch geben?“

Autorin: Wiebke Knoche

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